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Wahl in Frankreich: Welche Aufgaben auf Präsident Macron zukommen

Bei der Präsidentschaftswahl haben viele Franzosen nicht für Emmanuel Macron gestimmt, sondern gegen die rechtsextreme Marine Le Pen. Der neue Präsident steht nun vor einer Herkulesaufgabe. Um sie zu erfüllen, braucht er auch die Unterstützung der anderen europäischen Staaten.
von Karin Nink · 8. Mai 2017
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Erleichterung bei allen Pro-Europäern und Demokraten in Frankreich und darüber hinaus: Emmanuel Macron wird der nächste französische Präsident. Er hat die Wahl mit 66,1 Prozent gewonnen. Die rechtsextreme Marine Le Pen konnte sich nicht durchsetzen – soviel Vernunft regiert dann doch noch im Land der Aufklärung und der Menschenrechte. Auch wenn viele Franzosen Macron nicht mit Überzeugung, sondern aus politischem Kalkül heraus gewählt haben. Sie haben nicht für Macron, sie haben gegen Le Pen gestimmt.

Frankreich kämpft mit gewaltigen Problemen

Umso wichtiger ist es, dass Emmanuel Macron als Präsident überzeugt. Denn die Probleme, die Frankreich hat, sind  mit seiner Wahl nicht gelöst. Probleme, die es schon lange gibt, die aber spätestens anlässlich der Präsidentenwahl 2002 offenkundig geworden sind und seitdem die Spaltung des Landes in Nationalisten und Europäer immer weiter vorantreiben.

Denn es sind letztlich nicht Europa und die Europäische Union, die Frankreich dahin gebracht haben, wo es heute ist. Es ist vielmehr das nostalgische Festhalten an dem Glauben der kulturellen Überlegenheit eines Landes von Intellektuellen und Kulturschaffenden – auch große Teile der deutschen Nachkriegsgenerationen waren und sind von diesem Frankreich fasziniert.

Hartnäckige Verweigerung, das Land zu modernisieren

Es ist das Festhalten an alten, wenig bis nicht durchlässigen Gesellschaftsstrukturen und es ist die damit einhergehende und seit Jahrzehnten andauernde aristokratische Herrschaft von Eliteschulen-Absolventen in Politik, Wirtschaft und Journalismus. Wer nicht zu der Schicht derjenigen gehört, die per Geburt und/oder finanzieller Ausstattung der Eltern zu diesen Auserwählten gehört, hat es auch heute noch schwer, in Frankreich (ganz) nach oben zu kommen. Nur Ausnahmen bestätigen die Regel.

Mit dieser strukturellen Erstarrung geht die hartnäckige Verweigerung einher, das Land wirtschaftlich zu modernisieren. Ein einfaches Beispiel: Seit Jahren wird in den politischen Debatten das duale Ausbildungssystem Deutschlands gerühmt. Aber in dem immer noch in allen Bereichen auf die Kapitale Paris zentrierten Land gelingt es nicht, diesen Ausbildungsweg auch nur in Ansätzen aufzubauen.  Die Jugendarbeitslosigkeit liegt seit rund 20 Jahren um die 25 Prozent, das heißt jeder vierte junge Franzose oder junge Französin unter 25 Jahren ist ohne Job.

Was Macron jetzt anpacken muss

Wenn es Macron nicht gelingt, diese Probleme anzugehen, wird die Radikalisierung im Hexagon voranschreiten und Radikale wie Le Pen oder auch Jean Luc Mélenchon werden 2022 davon profitieren. Dann haben Frankreich und Europa sich nur einen zeitlichen Aufschub verschafft, das Land aber wäre immer noch nicht auf dem Weg der Genesung.

Macron muss die wirtschaftliche Entwicklung des Landes in den Griff  bekommen, allem voran die (Jugend)-Arbeitslosigkeit. Es kommt nicht von ungefähr, dass ungewöhnlich viele junge Leute in der ersten Runde Le Pen oder Mélenchon gewählt haben. Macron muss das Wirtschaftswachstum ankurbeln und die zum Teil extrem radikalen und verknöcherten Gewerkschaften von seinem Tun überzeugen.

Das Staatsbudget darf nicht weiter aus dem Ruder laufen, und der neue Präsident muss die voranschreitende Deindustrialisierung stoppen. Das mag für den ehemaligen Wirtschaftsminister und Banker noch die kleinere Übung sein – schließlich besitzt die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas nach wie vor erhebliches wirtschaftliches Potenzial.

Macron muss das Land erneuern

Viel schwieriger wird es für den Präsidenten Macron – selbst ein  klassischer Repräsentant der herrschenden französischen Elite – die verkrusteten Strukturen der französischen Gesellschaft und eines falsch verstandenen Nationalstolzes aufzubrechen und die bürgerlichen Werte von Liberté, Egalité und Fraternité – Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – in einer modernen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts mit neuem Leben zu füllen.

Nur dann, wenn das – bei vielen Franzosen zwar nur unterschwellig – aber immer noch vorhandene Kolonialgehabe gegenüber nichtweißen Landsleuten und Zuwanderern aus den Köpfen und Herzen verschwindet, kann sich das Land erneuern, indem es die Probleme der Vorstädte wirklich angeht.

Europa muss Macron unterstützen

Nur wenn die Gesellschaft für alle durchlässiger wird, wenn die breite Masse der Bevölkerung und allen voran ihre politische Elite bereit ist, die noch sehr im alten Klassensystem verharrende französische Gesellschaft in ihrer Vielfältigkeit zu akzeptieren und zu fördern statt einem längst überholten Chauvinismus anzuhängen, kann Frankreich vorankommen.

Macron hat eine Herkules-Aufgabe vor sich. Und im Interesse von uns allen sollte auch Europa bereit sein, sich zu verändern und Macron bei seiner Aufgabe unterstützen – auch wenn es um die Frage der Staatsverschuldung  und die Einhaltung der Maastricht-Kriterien geht. Denn was haben wir davon, wenn Frankreich sie einhält und Le Pen 2022 doch noch triumphiert? 

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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