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Votum der Enttäuschten in Frankreich

Bei den französischen Départementswahlen am Sonntag wird erneut ein Erfolg des rechtsextremen Front National erwartet. Die Sozialisten dürften dagegen zahlreiche Départements verlieren.
von ohne Autor · 20. März 2015
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Der Terminkalender von Manuel Valls ist diese Woche randvoll, denn der französische Regierungschef ist als Wahlkämpfer unterwegs. Am Donnerstag besuchte der Sozialist eine Region, die lange als Bastion seiner Partei galt: die Corrèze. Das ländliche Gebiet im Herzen Frankreichs ist eine Art Barometer für die Popularität der Sozialisten, denn es ist die politische Heimat von Präsident François Hollande. Der Staatschef war dort bis zu seiner Wahl 2012 Präsident des Départementalrates, eine Art Kreisrat. Wenn genau dieser symbolische Posten nun wie erwartet bei den Wahlen am Sonntag von den Konservativen erobert wird, dann ist das für seine Partei ein Debakel.

Enttäuscht von der mageren Bilanz der Regierung im Kampf gegen die Rekord-Arbeitslosigkeit wenden sich viele Anhänger ab. Auch die Flügelkämpfe zwischen den Moderaten um Valls und den linken Abweichlern um Ex-Bildungsminister Benoît Hamon verunsichern die sozialistischen Wähler. Bei landesweit nur 19 Prozent sehen Umfragen den Parti Socialiste (PS) am Sonntag – deutlich hinter dem Front National (FN) und der konservativen UMP. Der rechtspopulistische Front National dürfte damit zum zweiten Mal nach der Europawahl stärkste Kraft werden. "Der FN fängt die Enttäuschten ein", sagt die FN-Expertin und Politologin an der Universität Sciences Po, Nonna Mayer. "Jetzt gerade sind es die von Hollande Enttäuschten."

Anzeige gegen FN-Kandidaten wegen Rassismus

Die Partei von Marine Le Pen tritt in praktisch allen gut 2000 Wahlkreisen, den Kantonen, an. Da sich im Zuge der neuen Geschlechtergleichheit überall ein Mann und eine Frau bewerben müssen, griff der FN auch auf Kandidaten zurück, die durch rassistische oder antisemitische Sprüche auffielen. In rund einem Dutzend Fälle erstattete die Anti-Rassismusorganisation SOS Racisme Anzeige.

Dass die "Frontisten" tatsächlich mehr als ein oder zwei der insgesamt 101 Départements gewinnen, ist unwahrscheinlich. Denn in der zweiten Runde am 29. März dürfte die Partei, die praktisch keine Verbündeten hat, nicht die notwenige Mehrheit schaffen. Doch das erwartete landesweite Ergebnis zeigt die Dynamik, die den FN trägt: bei der Präsidentschaftwahl 2012 kam Le Pen mit knapp 18 Prozent auf den dritten Platz, bei der Kommunalwahl 2014 eroberte ihre Partei erstmals ein Dutzend Rathäuser und bei der Europawahl gewann sie mit rund 25 Prozent.

"Der echte Test kommt 2017", bemerkt Expertin Mayer. Dann wird nämlich ein neuer Präsident gewählt und Umfragen sehen Le Pen bereits in der zweiten Runde. Valls geht sogar noch weiter: Er warnt davor, dass die Juristin, die ihre Partei "entdämonisieren" will, die Wahl gewinnen könnte. "Ich habe Angst um mein Land, dass es am Front National zerbricht", sagte der Regierungschef Anfang März in einem Radiointerview. Seither absolvierte der 52-Jährige unermüdlich eine Wahlkampfveranstaltung nach der anderen, in der er vor Wahlmüdigkeit und dem Votum für den FN warnte. "Ich stehe zur Stigmatisierung von Marine Le Pen, denn der FN bietet keine Lösungen an – weder auf Départementsebene noch für das ganze Land."

Niedrige Wahlbeteiligung erwartet

Der ausländerfeindliche Front National setzt auf einen Einwanderungsstopp und den Ausstieg aus dem Euro. Außerdem forderte Marine Le Pen nach der islamistischen Anschlagserie im Januar ein Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe.

"Das ist eine politische Strategie, die Angst machen soll, um die sozialistischen Wähler zur Stimmabgabe zu bewegen", kritisiert Mayer die Äußerungen von Valls.  In der Tat könnte die Wahlbeteiligung am Sonntag nur bei rund 40 Prozent liegen. Viele Wähler verstehen den Sinn der Abstimmung nicht, da im Zuge der von Hollande eingeleiteten Gebietsreform die Départements als Gebietskörperschaften eigentlich langfristig abgeschafft werden sollen.

Eine Entscheidung, die die konservative UMP wieder rückgängig machen will. Die Partei von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy dürfte die große Siegerin der Départementswahlen sein, denn mindestens 30 der insgesamt 60 Départements, die derzeit links regiert werden, könnten an das konservative Lager fallen. "Ein Kampf, der von vornherein verloren ist", schrieb die konservative Zeitung "Le Figaro" denn auch zum Auftritt von Valls in der Corrèze.

 

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