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Vorwahlen der US-Demokraten: Deshalb gibt Sanders nicht auf

Die Präsidentschaftsnominierung der Demokraten kann Hillary Clinton niemand mehr nehmen: Sie hat die Mehrheit der abgegeben Stimmen, die Mehrheit der US-Staaten und jetzt auch die Mehrheit der Delegierten gewonnen. Doch Bernie Sanders gibt nicht auf. Dafür hat er – aus seiner Sicht – gute Gründe.
von Martin Hackbarth · 8. Juni 2016
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Vermonts Senator Bernie Sanders erfreut sich einer enormen Beliebtheit in den USA und darüber hinaus. Das liegt sowohl daran, dass er eine Vision für alle hat, viele junge Unterstützer hinter sich vereinen kann, nicht in das starre und alte Parteiensystem passt und vergleichsweise jung im Agieren ist.

Bernie Sanders der „König der Änderungsanträge“

Er gehört nicht zum Establishment und genießt eine enorme Glaubwürdigkeit, da er schon seit über 40 Jahren der feministisch-sozialistisch-für-Gleichberechtigung-kämpfende Amendementkönig ist. Als „König der Änderungsanträge“ profilierte er sich seit Jahren im Kongress und zeigte so, dass ein Sozialist im kapitalistischen Amerika erfolgreich sein kann. Es leuchtet ein, dass er sein Programm nicht zu 100 Prozent umsetzen kann. Doch er kann Akzente setzen und er kann Gesetze nach links ziehen und was viel wichtiger ist, Sanders spendet Motivation und Kampfeslust an eine längst vergessene und abgetauchte Bewegung. Die Democratic Socialists of America (DSA) unterstützen Sanders, wo sie nur können und schöpfen neue Hoffnungen. Endlich ist das Wort „Sozialismus“ kein „badword“ mehr. Endlich kann man in den USA sagen, man sei Sozialist, ohne dabei schief angeguckt zu werden.

Umso interessanter ist es aber, dass es nicht Sanders war, der das Wort salonfähig gemacht hat. Es waren die Republikaner. Viel zu lange und viel zu oft haben sie Barack Obama als Sozialisten bezeichnet und irgendwann war das böse S-Wort nicht mehr verbrannt oder verpönt. Es war lediglich Sanders, der dies erkannte und auf die hohe Bühne trug.

Das Zwei-Parteien-System wankt

Und genau hier muss man ansetzen um zu verstehen, dass gerade jetzt das Zwei-Parteien-System ins Wanken gerät. Der Sozialist Sanders, welcher zwar bei den Demokraten agiert, aber eigentlich dort nicht hingehört, auf der einen Seite. Der ausländerfeindliche Trump, der eigentlich auch nicht zur GOP gehört, auf der anderen Seite. Dies könnte mittelfristig dazu führen, dass sich am Randgebiet tatsächlich zwei neue Bewegungen breit machen.

Der Nominierungsparteitag der Demokraten im Juli wird wohl einer der spannendsten seit langem. Es ist unwahrscheinlich, dass Sanders auf dem Parteitag nominiert wird, doch als Verlierer muss er nicht nach Hause fahren. Ungefähr 25 Prozent der Unterstützer von Sanders vertreten die Ansicht „Bernie or Bust“ (Bernie oder niemanden). Clinton muss vor allem jene aber auch den Rest der Delegierten und Anhänger überzeugen. Es wird nicht ausreichen, dass Sanders am Ende seine Anhänger zur Wahl von Clinton auffordert.

Clinton muss auf Sanders Programm eingehen

Hillary Clinton ist gezwungen, sich der Revolution inhaltlich wie auch personell zu nähern. Sanders wird versuchen, die Demokratische Partei auf einen höheren Mindestlohn, gegen Fracking, für eine Gesundheitsversorgung für alle und für gebührenfreie Colleges einzuschwören. Hierfür kann er den berühmten aber sehr selten vorkommenden „Minority Report“ anwenden: Dieser ermöglicht der Minderheit eine offene Abstimmung über strittige Punkte auf dem Parteitag zu erzwingen. Aber auch unabhängig davon ist die Partei gezwungen, Punkte von Sanders offiziell zu übernehmen, um auf dem Parteitag einen Eklat zu verhindern.

Dazu kommen wahlstrategische Gründe, bei denen Hillary den Anhängern Sanders inhaltlich etwas anbieten muss. Aus diesen Gründen wird sie auch gar nicht daran vorbeikommen, einige Punkte der Revolution zu übernehmen. Sie muss dies auch tun, weil jeder weitere und größere interne Streit bei den Demokraten Trump stärkt. Das wissen sowohl Sanders, als auch Clinton. Wahrscheinlich wird sie im Bereich Mindestlohn, Steuern und Gesundheitsversorgung auf Sanders zugehen.

Ein personeller Paukenschlag?

Aber auch personell wird es vielleicht einen amerikanischen Paukenschlag für Sanders geben. Er selbst will nach jetzigem Stand kein Vizepräsident werden. Es ist denkbar, dass Clinton sich am Ende für Elisabeth Warren entscheidet. Die Senatorin steht Sanders politisch nahe und noch dazu wäre eine weibliche Doppelspitze ein starkes Zeichen, um viele Progressive bei der Wahl hinter Clinton zu vereinigen. Aus all diesen Gründen wird Sanders nicht aussteigen. Warum sollte er auch? Er hat gegenüber 2,5 Millionen Kleinspendern eine Verpflichtung und tatsächlich Chancen, die USA inhaltlich wie auch personell zu verändern. Mit oder ohne ihm.

Autor*in
Martin Hackbarth

ist Jugendbildungsreferent der Jusos Mecklenburg-Vorpommern.

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