Vorwahlen der französischen Sozialisten: Sieben Kandidaten ohne Aussichten
„Ein Abend, den man vermeiden sollte“ – so fasste ausgerechnet die linksgerichtete Zeitung „Libération“ die erste von vier Fernsehdebatten der französische Sozialisten zusammen. Sieben Bewerber für die Vorwahlen Ende Januar diskutierten mehr als zwei Stunden lang über die Themen Arbeitslosigkeit und innere Sicherheit. Doch ein wirkliches Streitgespräch kam trotz der gegensätzlichen Auffassungen nicht in Gang. Höflich vermieden die Kandidaten, die den Sozialisten und mit ihnen verbündeten Kleinparteien angehören, direkte Angriffe auf die Rivalen. Nur François Fillon, der konservative Favorit für das Präsidentenamt, wurde mehrmals ins Visier genommen.
Montebourg überzeugt die meisten
„Ich will die brutale Rechte des François Fillon schlagen“, sagte der frühere Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg in seinem Eingangsstatement. Der 54-Jährige könnte laut jüngsten Umfragen die erste Vorwahlrunde am 22. Januar zwar nur als Zweiter beenden, dann aber die Stichwahl am 29. Januar gegen Ex-Regierungschef Manuel Valls gewinnen. Grund dafür ist die Stärke des linken Lagers, das gleich mit mehreren Kandidaten vertreten ist, während Valls den sozialliberalen Flügel allein repräsentiert. Die Fernsehzuschauer sahen Montebourg denn auch als den Kandidaten, der am meisten überzeugte.
Der EU-Skeptiker lief bei der Frage nach der Drei-Prozent-Defizitgrenze für den Haushalt, die Frankreich in diesem Jahr zum ersten Mal einhalten will, zu rhetorischer Höchstform auf: „Das ist eine absurde Regel“, kritisierte Montebourg, der bei den Vorwahlen vor fünf Jahren bereits einen achtbaren dritten Platz belegt hatte. Mit einer protektionistischen Politik will der Gegner des Freihandels die lahmende Wirtschaft Frankreichs wieder flott machen. Ein Ansatz, der den liberalen Ideen des unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron widerspricht.
Macron als „Monsieur X“
Montebourg nahm während der Debatte den früheren Wirtschaftsminister, der bis 2009 Mitglied der Sozialisten war, ins Visier. „Für mich ist Macron wie Monsieur X. Man weiß nicht, ob er rechts oder links ist.“ Macron war Ende August von seinem Ministerposten zurückgetreten, um bei den Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. Der smarte 39-Jährige umwirbt vor allem die von Präsident François Hollande enttäuschten sozialliberalen Wähler. In Umfragen liegt er als „dritter Mann“ hinter der rechtsextremen Kandidatin Marine Le Pen und Fillon.
In die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen dürfte es allerdings wohl keiner der Kandidaten des linken Lagers schaffen, zu dem neben Macron auch der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon gezählt wird. Ein Szenario, vor dem vor allem Manuel Valls warnt. „Ich will nicht, dass die Franzosen die Wahl zwischen der harten Rechten und der extremen Rechten haben“, lautet sein Argument für eine Kandidatur, mit er seine zerstrittene Partei hinter sich einen will. Bisher kam seine Kampagne, die er erst nach dem Verzicht des extrem unbeliebten Hollande Anfang Dezember begann, allerdings nicht in Schwung: Zu einer Wahlkampfveranstaltung im Norden kamen nur 200 statt der erwarteten 400 Zuhörer.
Für die Sozialisten geht es ums Überleben
Die Spaltung der Sozialisten hatte der gebürtige Spanier Valls selbst als Regierungschef mit seinem scharfen Ton vorangetrieben. Noch immer haftet ihm seine Aussage von den zwei „unversöhnbaren Linken“ an: der Sozialdemokraten und der Vertreter eines stramm linken Kurses. Galionsfigur des linken Flügels ist neben Montebourg der frühere Bildungsminister Benoît Hamon, der die Fernsehdebatte in den ersten 20 Minuten mit seiner Forderung nach einem Grundeinkommen für alle von 750 Euro dominierte.
Für die Sozialisten geht bei den Vorwahlen auch um ihr eigenes Überleben. Denn wenn die „Primaires“ nicht genügend Wähler anziehen, schwächt das die zerstrittene Regierungspartei weiter. Deshalb schaute die Parteiführung genau auf die Zuschauerzahlen der ersten Debatte: 3,8 Millionen Franzosen saßen vor dem Fernseher. Keine überwältigende Zahl, aber auch keine Blamage.
Christine Longin begann ihre journalistische Laufbahn bei der Nachrichtenagentur AFP, wo sie neun Jahre lang die Auslandsredaktion leitete. Seit vier Jahren ist sie Korrespondentin in Frankreich, zuerst für AFP und seit Juli für mehrere Zeitungen, darunter die Rheinische Post.