Vorschlag des EU-Parlaments: So soll Europa künftig wählen
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Wie das Europäische Parlament gewählt wird, hat sich seit 40 Jahren nicht geändert. Ob Wahltag oder Wahlalter: Wie die Europawahl zum Europäischen Parlament stattfindet, ist weitgehend den Nationalstaaten überlassen. Das soll sich nun ändern. Das Europaparlament hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit einer Reform des europäischen Wahlrechts auseinandergesetzt. Diese soll am Dienstag absgestimmt werden.
Warum soll das europäische Wahlrecht reformiert werden?
Anläufe für eine Reform gab es schon öfter. Ziel war zum einen eine „Harmonisierung“, also eine Vereinheitlichung, von Wahlablauf und -rahmen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Zum anderen sollte Europa bürger*innennäher und demokratischer werden. Das ist auch das Ziel der jetzt geplanten Reform des EU-Wahlrechts. „Eine umfassende Wahlreform könnte die EU weiter demokratisieren“, ist die verfassungspolitische Sprecherin der Europa-SPD, Gaby Bischoff, überzeugt.
Warum kommt es gerade jetzt zu einem neuen Anlauf?
Auslöser war das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU, der Brexit. Durch diesen wurden die 73 britischen Sitze im Europaparlament frei. 27 davon wurden auf andere Mitgliedsstaaten umverteilt, die anderen 46 in Reserve gestellt, etwa für künftige EU-Erweiterungen. 28 von diesen sollen nun über die Reform des Wahlrechts über einen neu geschaffenen, EU-weiten Wahlkreis vergeben werden.
Wie sollen EU-Bürger*innen künftig wählen?
Geht es nach der Mehrheit im Europaparlament, sollen wahlberechtigte EU-Bürger*innen künftig zwei Stimmen haben: eine wie bisher für die Wahl der Abgeordneten in nationalen Wahlkreisen und eine zusätzliche für die Wahl in einem neu geschaffenen EU-weiten Wahlkreis. 28 der dann 733 Abgeordneten sollen künftig aus diesem – virtuellen – Wahlkreis kommen. Auf der Liste stehen somit Kandidat*innen unterschiedlicher Nationalitäten. Das Prinzip, dass Italiener*innen nur Italiener*innen und Lett*innen nur Lett*innen wählen können, wird also aufgehoben bzw. ergänzt.
Wann soll künftig gewählt werden?
Bisher gibt es keinen einheitlichen Tag der Europawahl. Wann gewählt wird, richtet sich stattdessen nach nationalen Traditionen. In Deutschland etwa ist immer der Sonntag Wahltag wie bei Bundes- und Landtagswahlen auch. Damit soll Schluss sein. Künftig soll in allen EU-Staaten am 9. Mai, dem Europatag, gewählt werden.
Wer darf gewählt werden?
Auch das soll vereinheitlich werden. Für Kandidat*innen in Deutschland ändert sich allerdings nichts: Wie bisher hier bereits üblich, soll kandidieren dürfen, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat.
Was ist mit den gemeinsamen europäischen Spitzenkandidat*innen?
Die soll es auch weiterhin geben. Ihre Position soll sogar gestärkt werden, indem sie in allen Mitgliedsstaaten auf länderübergreifenden Listen kandidieren.
Was soll sonst noch geändert werden?
Um eine gerechtere Vertretung der Geschlechter im Europaparlament zu gewährleisten – nur 39 Prozent der Europaabgeordneten sind Frauen –, soll auf den Wahllisten eine Quote eingeführt oder diese – wie bei der SPD schon lange üblich – per Reißverschlussverfahren aufgestellt werden. „Die Wahllisten der Parteien, die bei der Europawahl antreten, müssen künftig paritätisch besetzt werden, wie es in der SPD Tradition ist“, fordert Gaby Bischoff. Auch soll das Wählen vereinfacht werden, etwa indem es in jedem Land die Möglichkeit zur Briefwahl gibt. Das soll u.a. Menschen mit Behinderung die Stimmabgabe erleichtern.
Wie geht es weiter, wenn das Europaparlament zustimmt?
Eine Mehrheit im Europaparlament für die Reform gilt als sicher. Allerdings müssen danach auch die Kommission und die Staats- und Regierungschef*innen der Mitgliedstaaten zustimmen. Hier ist der Ausgang ungewiss.
Könnte bereits die kommende Europawahl 2024 nach dem neuen Wahlrecht stattfinden?
Das ist eher unwahrscheinlich, da das Gesetzgebungsverfahren dafür zu lange dauert. Für 2029 soll das neue Wahlrecht aber nach dem erklärten Willen des Europaparlaments gelten.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.