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Vor der Wahl: „Die Griechen vertrauen Tsipras und Syriza“

Am Sonntag wählt Griechenland ein neues Parlament – zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren. Giorgos Chondros, Präsidiumsmitglied von Syriza, rechnet mit einem Wahlsieg seiner Partei. Nur mit einer stabilen linken Regierung könne Griechenland aus der Krise kommen.
von Kai Doering · 16. September 2015
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In den letzten Umfragen zur Parlamentswahl in Griechenland liegen die linke Syriza und die konservative Nea Dimokratia gleich auf. Wer wird am Sonntag die Nase vorne haben?

Eins ist sicher bei dieser Wahl: Syriza wird sie gewinnen! Und zwar aus zwei Gründen: Erstens vertraut noch immer die Mehrheit der Griechen Syriza und Alexis Tsipras trotz seiner Niederlage im Kampf mit  den „Institutionen“. Und zweitens wollen die Wähler nicht dem korrupten und für die Krise verantwortlichen politischen Personal der letzten Jahrzehnte die Möglichkeit geben, zurückzukommen. Viel wichtiger als die Frage nach dem Wahlsieger ist aber, welche Regierung nach der Wahl zustande kommt. Meiner Meinung nach kann Griechenland nur dann aus der Krise kommen, wenn Syriza allein regiert. Aber dazu wird es wohl nicht kommen, außer es gibt eine große Überaschung oder es kommt zu einer Minderheitsregierung. Deshalb brauchen wir erstens eine stabile linke Regierung mit einem Programm, das die Überwindung der Krise zum Ziel hat und dabei den schwächeren Teil der Bevölkerung vor noch mehr Abwertung schützt. Vorausetzung für ist ein Fahrplan, den Syriza hat. Zweitens brauchen wir eine starke links orientierte und demokratisch funktionierende Partei, die kritisch die Regierung unterstützt und drittens eine gut organisierte soziale Bewegung als Basis, die fordert und nicht delegiert. Doch auch wenn all diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird Griechenland nur dann voran kommen, wenn sich zur selben Zeit eine breite europaweite Bewegung gegen die bestehende Austeritätspolitik formiert.

Welche Rolle spielt die Syriza-Abspaltung „Volkseinheit“ bei der Wahl?

Es ist im Moment nicht einfach, für Griechenland Wahlprognosen abzugeben, denn das Land ist nach mehr als fünf Jahren harter Kürzungspolitik aus den Fugen geraten. Die wichtigste Rolle hat dabei, allerdings im negativen Sinne, die „Volkseinheit“ gespielt. Ihre Vertreter haben Syriza gespalten und Neuwahlen erst notwendig gemacht. Die Parteiführung ist für die Spaltung mit verantwortlich, weil die interne Demokratie und der Dialog vernachläsigt wurden. Die Zukunft ist jetzt offen. Entscheidend wird sein, dass das linke Potential in der griechischen Politik, das jahrzehntelang für die Einigung der Linken gearbeitet und das hoffnungsvolle Projekt Syriza aufgebaut hat, nicht verloren geht und gemeinsam für das Soziale in Griechenland kämpft. Die Herausforderung, an der wir alle  gemessen werden, ist unser Bemühen, das Projekt der Vereinigung der Linken aufrecht zu erhalten und den europaweiten Kampf gegen Neoliberalismus weiter bis zum endgültigem Sieg zu führen.

Das griechische Volk ist – das Referendum zur Euro eingerechnet – zum dritten Mal innerhalb von acht Monaten aufgerufen, seine Stimme abzugeben. Beobachten Sie eine gewisse Wahlmüdigkeit?

 Die Griechen kämpfen auf die eine oder andere Weise seit fünf Jahren darum, die sozial ungerechte Sparpolitik abzuschütteln. Wahlen zählen auch zu diesem Kampf. Natürlich ist eine gewisse Müdigkeit zu spüren. Allerdings überwiegt die Enttäuschung.

Was bedeutet das für Griechenlands Zukunft?

Wir sollten aus den Erfahrungen der vergangenen Monate lernen.  Das griechische Volk hat gezeigt, dass es trotz Niederlagen weiter gehen kann. Aufgabe der Linken, und nicht zuletzt von Syriza, ist es, weiterhin zusammen mit den sozialen Bewegungen, mit  der Jugend, mit den  Menschen „da unten“ alles zu tun, um ein Ende der soziale Abwertung zu erreichen und zwar europaweit. Gerade jetzt, wo Europa eindeutig Schritte zurück macht, ist keine Zeit, um müde zu werden.

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Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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