Verhärtete Fronten zwischen Griechenland und Europartnern
Griechenland wählt und Europa fürchtet um die Folgen des Votums über das griechische Sparpaket. „Wenn die griechischen Wähler sagen, das wollen wir nicht, ist die Frage, ob dann noch Platz ist in der Eurozone“, sagte der Chef der Eurogruppe, der sozialdemokratische niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem. Der griechische Links-Premier Alexis Tsipras hatte in der Vorwoche überraschend für diesen Sonntag ein Referendum über das mit den Europartnern ausgehandelte Sparpaket angesetzt.
Varoufakis: „Griechenland wird im Euro bleiben“
Während das oberste griechische Verwaltungsgericht am Freitag über die Rechtmäßigkeit der Wahl entscheiden wollte (Verhandlung dauert zur Stunde noch an, Anm. d. Red.), gehen die taktischen Spielchen zwischen Griechenland und den Europartnern im Vorfeld der Abstimmung weiter. Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis warb in der BBC für eine Ablehnung des Sparplans und interpretierte dies als starkes Mandat für die weiteren Verhandlungen mit den Europartnern. Es werde zu einer Einigung im Schuldenstreit kommen, „innerhalb weniger Tage“, sagte Varoufakis. Zugleich versuchte er die Folgen einer Ablehnung herunterzuspielen. Griechenland werde im Euro bleiben.
Dem widersprach Eurogruppenchef Dijsselbloem: „Wenn die Bevölkerung die Maßnahmen grundsätzlich ablehnt, können wir die Hilfe nicht verlängern“, sagte Dijsselbloem und machte die Frage über ein Ja oder Nein damit zu einer Frage über dem Verbleib in der Eurozone. Fakt ist: Es geht um viel am Sonntag.
Schulz setzt griechische Regierung unter Druck
Varoufakis kündigte im Falle einer Niederlage, also eines Votums für die Sparpakete, seinen Rücktritt als Finanzminister an. Die „Entscheidung des griechischen Volks wird respektiert“, sagt er. Der Präsident des Europäischen Parlaments, der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz, sprach sich für diesen Fall auch für einen Abgang des griechischen Premiers Tsipras aus. „Neuwahlen wären zwingend, wenn die griechische Bevölkerung für das Reformprogramm und damit den Verbleib in der Eurozone stimmt und Tsipras folgerichtig zurücktritt“, sagte Schulz dem „Handelsblatt“.
Schulz hatte sich lange als Vermittler im Schuldenstreit engagiert, nun aber die Geduld verloren. Ebenso wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der zu Wochenbeginn erklärt hatte, er sei „politisch und menschlich“ von Tsipras enttäuscht. Der griechische Premier hatte auf dem EU-Gipfel in der Vorwoche ein neues Angebot der Europartner erhalten. Er reiste ab und ließ es aus Athen zurückweisen, wenige Stunden darauf kündigte er das Referendum an. Die europäischen Partner empfanden das als Vertrauensbruch.
Europartner wollen Referendum abwarten
Offiziell zogen sie den Sparplan zurück, über den am Sonntag abgestimmt wird. Griechenlands Regierung hatte aber unter der Woche einen neuen Hilfsantrag eingereicht: Um 29,1 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds ESM fragte die Regierung an. Die Europartner wollen aber erst nach dem Referendum über das weitere Vorgehen beraten. Der Internationale Währungsfonds IWF senkte seine Wachstumsprognosen, Griechenland brauche in den kommenden drei Jahren rund 50 Milliarden Euro, hieß es.
Am Sonntag wird erst einmal gewählt. Mit möglicherweise drastischen Konsquenzen. Eine Zustimmung könne zu neuen Verhandlungen führen, eine Ablehnung zum Grexit, so Frankreichs sozialdemokratischer Finanzminister Michel Sapin. „Man kann keinen Deal mit jemanden erreichen, der ,Nein‘ zu Europa sagt“, erklärte Sapin. Es steht viel auf dem Spiel. Für Europa, aber auch für Griechenland und vor allem für die Menschen dort. Die Banken des Landes sind geschlossen, Abhebungen auf 60 Euro begrenzt. Es geht nicht nur um Finanztechnisches. Längst wird auch über humanitäre Notfallhilfe gesprochen, sollte das Schlimmste eintreten. Ob im oder außerhalb des Euro. Europas Verantwortung für Griechenland bleibt.
ist Europa-Korrespondent. Bereits seit 2012 berichtet er aus Brüssel für die „Berliner Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“.