US-Vorwahlen: Warum junge Menschen Bernie Sanders wählen
Wenige Stunden, nachdem die Wahllokale im amerikanischen Bundesstaat New Hampshire geschlossen sind, veröffentlicht Bernie Sanders ein Foto auf Instagram. Darauf lächelt der manchmal so brummig wirkende Senator, der dazugehörige Slogan verkündet: „Wenn wir zusammenhalten, gewinnen wir. Danke, New Hampshire.“
Junge Leute wählen Sanders
Ganze 20 Prozent mehr als seine parteiinterne Konkurrentin Hillary Clinton – Sanders hat allen Grund zur Freude. Bei den Vorwahlen in New Hampshire räumte er 59 Prozent ab, Clinton nur 39. Bei den Vorwahlen in Iowa Anfang Februar hatte er sich der ehemaligen Außenministerin noch geschlagen geben müssen. Sanders‘ Stärke sind die jungen Wähler und Wählerinnen. In Iowa votierten überwältigende 84 Prozent der jungen Wählerschaft (d.h. Menschen unter 30) für Sanders. Umfragen vor der Wahl in New Hampshire sagten noch einen deutlicheren Abstand voraus: Von den Wählern zwischen 18 und 24, die wahrscheinlich für einen der demokratischen Kandidaten abstimmen wollten, sprachen sich 85 Prozent für Sanders aus.
Auf den ersten Blick verwundert der Erfolg Bernie Sanders bei jungen Leuten. Der Senator aus Vermont ist immerhin schon 74 Jahre alt – und sieht auch so aus. Kein sportlich Junggebliebener, sondern eher ein liebenswert-grummeliger Grandpa (lesen Sie hier ein ausführliches Porträt über Sanders). Auf den zweiten Blick ist das alles aber gar nicht so überraschend.
Die Millennials als wichtige Größe
Junge Menschen sind generell unzufriedener mit dem Status quo als ältere. Laut Umfragen haben 83 Prozent der sogenannten „Millennials“ – zwischen 1980 und 1999 Geborene – kein Vertrauen in die Regierung. Für viele repräsentiert Hillary Clinton, ehemalige First Lady, Senatorin und Außenministerin, genau diese Regierung, das Establishment. Junge Leute wünschen sich Veränderung. Mit Clinton, so scheint ihnen, würde es eher eine Art dritte Amtszeit von Barack Obama geben – Kontinuität statt Revolution. Die Millennials sind bei der anstehenden Wahl eine wichtige Größe: Sie könnten ca. 36 Prozent der Wählerschaft ausmachen.
Ein anderer Faktor ist der, dass Bernie Sanders glaubwürdig wirkt. Er ist im positiven Sinne überraschungsfrei und tritt seit Jahrzehnten konsequent für seine politischen Überzeugungen ein: Er hat gegen den Irak-Einsatz gestimmt, schon früh gegen das „big money“ der Wall Street gepredigt und sich für die Rechte von Schwulen und Lesben eingesetzt, als das Thema noch nicht angesagt war. Clinton hingegen war wankelmütiger: Sie stimmte erst für den Irak-Einsatz, um dies später als Fehler zu bezeichnen. Und die gleichgeschlechtliche Ehe unterstützt sie erst seit 2013. Hinzu kommen die Affären um die Clinton-Stiftung und Clintons private E-Mails.
Feministische Auseinandersetzungen
Dass junge Wähler den vermeintlichen Außenseiter favorisieren, der verspricht, Dinge grundlegend zu ändern, ist also kaum verwunderlich. Dass aber auch ein Großteil der demokratisch wählenden jungen Frauen Bernie Sanders unterstützt, schon. Eine aktuelle Umfrage vor der Vorwahl in New Hampshire zeigte: 65 Prozent der Frauen zwischen 18 und 24 Jahren unterstützen Sanders. Laut einer aktuellen Umfrage von USA Today/Rock the Vote würden 50 Prozent der demokratischen und unabhängigen Frauen zwischen 18 und 34 Sanders wählen, nur 31 Prozent Clinton.
Das führt zu Auseinandersetzungen, insbesondere zwischen jüngeren und älteren Feministinnen. Die angesehene Frauenrechtlerin Gloria Steinem (81) sagte über die jungen Sanders-Unterstützerinnen: „Wenn du jung bist, denkst du: ‚Wo sind die Jungs‘? Die Jungs sind bei Bernie.“ Junge Frauen würden Sanders also nur wählen, um junge Männer zu treffen. Die ehemalige Außenministerin Madeleine Albright (78) stieß ins gleiche Horn – junge Frauen sollten Clinton wählen: „Wir können unsere Geschichte darüber erzählen, wie wir die Leiter hochgeklettert sind, und eine Menge junger Frauen denken, es ist geschafft. Es ist nicht geschafft. Es gibt in der Hölle einen besonderen Platz für Frauen, die sich gegenseitig nicht helfen.“ Der Spruch ist alt und mittlerweile Kult, er wird auf Tassen und T-Shirts gedruckt. Dass Albright ihn jetzt wieder auspackt, um jungen Frauen klar zu machen, wen sie als Frauen zu wählen haben, zeigt: Der Ton verschärft sich.
Ja zur ersten Präsidentin, nein zu Clinton
Warum aber unterstützen junge Frauen eher Sanders als Clinton? Zum einen spüren sie nicht dieselbe Dringlichkeit wie eine Gloria Steinem oder Madeleine Albright: Sie wünschen sich zwar eine Frau im Präsidentenamt, aber nicht unbedingt diese Frau. Wenn Hillary Clinton nicht Präsidentin wird, dann wird es eben irgendwann eine andere Frau. Hinzu kommt, dass die Wahlprogramme von Clinton und Sanders sich sehr ähneln, wenn es um das große Thema „Frauen- und Familienpolitik“ geht. Beide sind „pro-choice“, d.h. für das Recht auf Abtreibung, beide wollen die medizinische Versorgung für Frauen ausbauen und sichern, beide fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Ob nun Clinton oder Sanders gewinnt, so könnte man es sehen, für Frauen in Amerika macht es keinen großen Unterschied.
Frauen und Frauenpolitik hin oder her: Die Alterslücke wird bei diesen Vorwahlen weiterhin der entscheidende Faktor sein, nicht die Geschlechterlücke. Und so wie es aussieht, hat Bernie Sanders bei den jungen Wählerinnen und Wählern weiter die Nase vorn.