US-Präsidentschaftswahlkampf: Worauf Clinton und Trump im Endspurt setzen
Noch 4 Tage, 3 Stunden, 30 Minuten und 16, 15, 14 Sekunden… dann gehen endlich Präsidentschaftswahlen in den USA los. Nach fast zwei Jahren des Kandidaten-Ratens, der Vorwahlen, Nominierungsshows und einem hartem Wahlkampf wird Dienstagnacht, so hoffe ich, Hillary Rodham Clinton als nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika feststehen.
Sogar die Bushs überlegen, Clinton zu wählen
Sie wird von fast allen großen Zeitungen unterstützt. Das Vogue Magazin hat sich für sie ausgesprochen. Apple CEO Tim Cook und die Gründer von AirBnB und Netflix sind an ihrer Seite. Quentin Tarantino und Stephen Spielberg ebenso. Die Simpsons haben einen Spot gegen Trump gemacht. Und sogar die Bushs, nicht unbedingt als Unterstützer der Demokraten bekannt, überlegen, Clinton zu wählen.
Die gesamte Elite des Landes unterstützt diese Frau – aus Kultur, Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und Unterhaltung. Und genau das ist das Problem. Die Elite, die Gewinner, Optimisten und Modernisierer machen eben nur die Hälfte des Landes aus.
Erste Umfragen sehen bereits Trump vorne
Wer Clinton in jedem Fall nicht unterstützt? Das FBI. Zumindest nicht sein Chef James Comey. Seine Bekanntmachung, das FBI untersuche neue E-Mails aus dem Umkreis der Präsidentschaftskandidatin, macht den Wahlausgang wieder offen. Niemand weiß, was der Inhalt ist oder ob es überhaupt Mails von Hillary sind – nicht mal das FBI. Doch was wir wissen ist, dass Trumps Chancen auf einen Sieg in den letzten Tagen gestiegen sind.
Erste Umfragen von ABC sehen Trump sogar vorne. „Breaking – Trump 46, Hillary 45. Spende jetzt drei Dollar für unsere Schlussmobilisierung und sichere unseren Sieg nächste Woche“ – Jess, meine neue SMS-Freundin der Demokraten erinnert mich daran, dass es knapp wird am Dienstag. Und nichts ist bei allen so im Gedächtnis wie der Brexit, die sicher geglaubten Umfragen und die fehlende Mobilisierung der Jugend. Also: An die Türen! An die Telefone! Leute zum Wählen bringen, vor allem in den Swing States.
Wählen mit Plan
Tobias und ich unterstützen bei den Hausbesuchen. Wir laufen bei unserem ersten Stopp unserer Ohio-Tour durch Cuyahoga County, Cleveland. Die Häuser sind ziemlich heruntergekommen, die Fenster mit Brettern vernagelt. Eine afroamerikanische Frau um die 30 öffnet die Tür. „Die Wahl von Obama als erster schwarzer Präsident war wichtig für mich. Doch diese Wahl ist so viel wichtiger.“ Sie überlegt, wann sie wählen gehen kann. Dienstag muss sie den ganzen Tag arbeiten und die Kinder von der Schule abholen. Wählen im Alltagsstress ist anders als bei uns, wir haben sonntags frei.
Hillary Clintons Tür-zu-Tür Kampagne setzt hier an: „Make a plan“ – bring die Leute dazu, dass sie einen Plan zum Wählen machen. Dass sie den Wahltag in ihrem Kopf durchspielen oder früher wählen gehen. Vor allem junge und afroamerikanische Wähler versucht Clinton in den Swing States zu mobilisieren. Sei es mit Jay-Z- und Katy-Perry-Konzerten, mit täglichen Auftritten von ihr und den Obamas und vor allem mit 70.000 Freiwilligen, die sich am kommenden Wochenende im ganzen Land aufmachen und an Türen klopfen.
Trumps Groundgame: einfache, direkte Sprache
Trump hat dieses so genannte Groundgame nicht. Er setzt auf TV-Spots, Onlinewerbung und Twitter. Und auf Gartenschilder. Wobei die von allen Leuten im Land geliebt werden. Wir fahren mit unserem Bus durch ein buntes Ohio mit Tausenden von Gartenschildern in allerlei Farben und stoppen in Springfield. Springfield liebt Trump-Schilder. Es ist ein Ort, in dem kaum jemand zur Mittelschicht gehört. Die Löhne sind in den letzten Jahrzehnten immens gesunken. Springfield ist der Inbegriff für den Abstieg einer Stadt.
Wir sitzen in einem Wahlkreisbüro der Republikaner, mit Trump-Pappaufsteller und USA-Tischdecke. Von Trump erhoffen sich alle gute Jobs und wirtschaftlichen Erfolg. „Wir sind gegen Hillary. Sie gehört ins Gefängnis wegen der E-Mails und Benghazi“, sagt eine der drei freundlichen Rentnerinnen, die das Büro betreiben und Gartenschilder verteilen. Ich glaube nicht, dass die drei Damen wissen, wo genau Benghazi liegt. Doch Trump hat es geschafft, seine Botschaften bei seinen Wählern innerlich zu verankern. Er nutzt eine einfache Sprache, eine direkte Sprache, die jeder Amerikaner versteht. Das ist sein Groundgame.
Wie Trump „Pro Life“-Aktivisten für sich einnimmt
Und es wirkt. Inzwischen scheinen sich die republikanischen Wähler immer mehr an Trump gewöhnt zu haben. Auf den letzten Metern und nach angeblich vielen schlaflosen Nächten unterstützen sie ihn doch. So auch die Pro-Life-Gruppe, die wir treffen. Abtreibungsgegner, die kleine, silberne Baby-Füße als Anstecker am Revers tragen. „Die Füße an meinem Kragen sind so groß wie von einem Baby in der 10. Schwangerschaftswoche. Wir sind die Advokaten dieser ungeborenen Babys.“ Und sie sind mächtig im Wahlkampf.
Trump war früher kein Abtreibungsgegner. Nun ist er brav auf ihre Seite gewechselt. Doch das ist für sie nicht das ausschlaggebende Argument für ihre Unterstützung. Ihnen geht es vor allem um den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. In den kommenden Jahren werden wegweisende Urteile zu Abtreibungen erwartet. Trump hat eine Liste mit möglichen Richtern aufgestellt, die ganz nach dem Geschmack von Pro-Life ist. Also springen sie über ihren Schatten und wählen Trump.
Wie geht es nach der Wahl weiter?
Inzwischen sind es nur noch 4 Tage, 2 Stunden, 2 Minuten und 5, 4, 3 Sekunden. Der Wahltag rückt näher. Alles, was an Geld noch da ist, kommt jetzt auf den Markt. Jede Truppe mit ihrer eigenen Strategie – Freiwillige, Fernseh-Werbung, Twitter-Randale oder Promi-Auftritte. Dienstag endet offiziell der Wahlkampf. Doch ich bezweifle, dass diese mediale Schlammschlacht und die politische Konfrontation am Dienstag vorbei sein werden. Wer immer Dienstag gewinnt: Bitte vereine diese Land!
leitet das Büro des stellv. Parteivorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel im Willy-Brandt-Haus.