US-Präsident Trump: Niels Annen warnt vor Spaltung Europas
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Anfang der Woche hat ein Zeitungsinterview mit Donald Trump für reichlich Aufregung in Europa gesorgt. Wie bewerten Sie seine Äußerungen?
Das Interview ist der letzte Beleg dafür, dass sich Donald Trump als Präsident nicht ändern wird. Alle, die das geglaubt oder gehofft haben, sollten dieses Interview besonders aufmerksam lesen. Welchen außenpolitischen Kurs Präsident Trump für die USA verfolgen wird, lässt sich jedoch auch aus diesem Interview nicht erschließen. Wir werden uns wohl darauf einstellen müssen, dass das Handeln des amerikanischen Präsidenten und damit der USA deutlich unberechenbarer wird.
Nach der Wahl wurde schnell gesagt, so schlimm werde das Ganze schon nicht werden. Minister und Berater würden Trump einfangen. Wie sehen Sie das?
Seine Regierungsmannschaft ist zwar sehr konservativ geprägt, wird aber halbwegs berechenbar in ihren Handlungen sein – zumindest was die Außen- und Sicherheitspolitik angeht. Ihr steht ein kaum berechenbarer Präsident Trump gegenüber. Das ist eine schwierige Kombination. Dieser Widerspruch wird wohl ein wesentlicher Teil von Trumps Regierungsstils werden. Eine Garantie dafür, dass ihn sein Team tatsächlich einhegen kann, gibt es leider nicht. Donald Trump ist entgegen aller Erwartungen Präsidentschaftskandidat der Republikaner geworden, weil er nicht auf Berater gehört hat, sondern sich stets treu geblieben ist. Mit seiner Art, Gegner herabzuwürdigen, es mit den Fakten nicht so genau zu nehmen und unberechenbar zu sein, ist er dann sogar Präsident geworden. An diesem Vorgehen wird er nichts ändern. Und gerade in der Außenpolitik ist der Handlungsspielraum des amerikanischen Präsidenten besonders groß. Donald Trump wird ihn nutzen. Das macht mir große Sorge.
Beobachter mahnen, dass Trump mit seinen Äußerungen bewusst einen Keil zwischen die Mitgliedstaaten der EU treiben will. Ist da etwas dran?
Das sehe ich auch so. Es ist schon besorgniserregend genug, dass es jetzt mit den USA und Russland zwei mächtige Länder gibt, die eine erklärt antieuropäische Politik verfolgen. Trumps Applaus für den Brexit und seine Vermutung, dass weitere Länder dem Beispiel Großbritanniens folgen werden, verdeutlicht das Problem, das wir künftig mit der amerikanischen Administration haben werden. Trump und Putin betreiben beide eine Politik, die darauf ausgelegt ist, die Europäische Union zu spalten, möglicherweise zu zerstören. Von Putin kennen wir das bereits. Dass aber nun unser wichtigster Verbündeter auf diese Politik einschwenkt, ist eine ernsthafte Gefahr für die Europäische Union.
Was bedeutet das für die deutsche Politik?
Es wird künftig sehr stark von Deutschland abhängen, ob es gelingt, das europäische Projekt zu verteidigen und zu bewahren. Das wird aber nur gelingen, wenn die SPD als dezidiert pro-europäische Kraft bei der kommenden Bundestagswahl stark abschneidet. Ganz Europa wird auf diese Wahl schauen, weil mehr von ihr abhängt, als die Frage, wer in Deutschland regiert. Wir steuern auf eine europäische Schicksalswahl zu.
In der Wirtschaftspolitik setzt Donald Trump auf Protektionismus. Droht Europa ein Handelskrieg mit den USA?
Dass ein amerikanischer Präsident versucht, amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, ist verständlich und auch seine Aufgabe. Die Mittel, die Donald Trump beschrieben hat, sind allerdings gefährlich. Wenn er glaubt, die Probleme, die es in einigen Branchen der amerikanischen Wirtschaft gibt, mit Strafzöllen lösen zu können, blendet er die Tatsache aus, dass diese nicht ohne Gegenmaßnahmen anderer Staaten bleiben werden. Diese Dynamik birgt durchaus die Gefahr eines Handelskrieges, der ganz sicher nicht im Sinne der Arbeitnehmer in den Vereinigten Staaten wäre. Er würde allerdings auch Deutschland schaden, da die deutsche Wirtschaft ja einen überdurchschnittlich hohen Exportanteil hat. Allerdings kann Trump in diesem Bereich nicht alleine handeln und es gibt einflussreiche Gruppen in den USA, die ein großes Interesse an einem freien Welthandel haben.
Auch die NATO scheint Trump zumindest in ihrer jetzigen Form ein Dorn im Auge zu sein. Er hat angekündigt, weniger Geld als bisher zahlen wollen. Was bedeutet das für das Verteidigungsbündnis?
Die ehrliche Antwort auf diese Frage lautet: Wir wissen es nicht. Wenn es Trumps tatsächliches Anliegen ist, die Kosten der einzelnen Mitgliedstaaten der NATO fairer zu verteilen, können wir darüber sicher reden. Bisher hat jede amerikanische Administration ihren NATO-Partnern vorgeworfen, sich nicht ausreichend finanziell zu beteiligen. Trumps Äußerungen sind also nichts Neues. Verstörend ist allerdings, dass er nicht nur im Wahlkampf mehrfach betont hat, die NATO sei aus seiner Sicht komplett überflüssig. Wenn das die neue Linie der amerikanischen Politik sein sollte, wäre das ein Erdbeben für die globale Sicherheitsinfrastruktur. Es würde auch die Rolle Deutschlands massiv verändern.
Inwiefern?
Einige unserer europäischen Partner haben schon nach den ersten Äußerungen Trumps zur NATO höhere Erwartungen an Deutschland formuliert. Da müssen wir allerdings ganz klar sagen, dass Deutschland niemals in der Lage sein wird, die amerikanische Sicherheitsgarantie für Europa zu ersetzen. Eine solche Diskussion sollten wir gar nicht erst führen, da diese Erwartungen nur enttäuscht werden können.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.