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Urlaub als Zeichen von Solidarität?

von Susanne Dohrn · 1. Juni 2010
Textsicher: Auf einem außerordentlichen Parteitag in Berlin am 18. Oktober 2008 wurde Franz Müntefering zum zweiten Mal SPD-Vorsitzender.
Textsicher: Auf einem außerordentlichen Parteitag in Berlin am 18. Oktober 2008 wurde Franz Müntefering zum zweiten Mal SPD-Vorsitzender.

vorwärts.de: Die griechische Regierung hat ein gigantisches Sparprogramm beschlossen. Was bedeutet das konkret für die Menschen im Land?

Paulina Lampsa: Die Maßnahmen bereiten jungen Leuten, Rentnern und Beamten große Sorgen. Der Mindestlohn sank um 200 EUR und liegt jetzt bei 580 EUR, alle Renten sind deutlich reduziert worden und von den öffentlichen Beamten haben einige fast 40 Prozent ihres Gehalts verloren. Viele junge Leute, die ich kenne, haben keine Möglichkeit unabhängig von ihren Eltern zu leben. Viele, die im Privatsektor arbeiten, machen aus Angst vor Entlassung zahlreiche Überstunden, die nicht bezahlt werden und zögern, eine Familie zu gründen.

Glauben Sie, dass ein Sparprogramm hilft, die Krise zu bewältigen?

Das Ergreifen strengerer Maßnahmen würde den Zustand der griechischen Wirtschaft noch verschlechtern, weil sie den Konsum drastisch reduzieren, die Umsätze von Unternehmen sinken lassen und soziale Unruhen hervorrufen. Schlüsselbranchen, wie z.B. der Tourismus, die einem wichtigen Beitrag zu unserem Haushalt leisten, wurden schon stark geschädigt.

Es heißt Griechenland in den letzten zehn Jahren in der Eurozone mit Abstand am meisten in Maschinen und Ausrüstung investiert. Was waren das für Investitionen?

Nach Angaben des renommierten Internationalen Instituts für Friedensforschung in Stockholm (SIPRI), war Griechenland der größte Importeur konventioneller Waffen in Europa während der letzten Jahre. Nur im Jahr 2008 erreichten die Kosten für diese Importe auf 8,6 Milliarden Euro. Ziel der PASOK-Regierung ist es, die Staatsausgaben für Rüstung zu reduzieren und um erhebliche Mittel freizugeben, die in Bildung, Gesundheit und Sozialpolitik investiert werden können.

Hat Deutschland als Exporteur von Maschinen davon profitiert?

Sicherlich haben auch deutsche Firmen von diesen hohen Ausgaben für Ausrüstungen profitiert.

Würde es Griechenland helfen, wenn viele Menschen ins Land kommen, um dort Urlaub zu machen?

Der Tourismus ist eine sehr wichtige Einnahmequelle für Griechenland. Deshalb würde uns eine Zunahme der Einkünfte in dieser schwierigen Zeit wesentlich helfen. Wir freuen uns jedes Mal, wenn wir aus Bürgern in der ganzen Welt die Botschaft erhalten "dieses Jahr verbringen wir unseren Urlaub in Griechenland, als Zeichen unser Solidarität".


Glauben Sie, dass Europa auch zukünftig zusammenhalten wird?

Wir alle haben für das Europäische Projekt hart gekämpft, um es einfach trüben zu lassen. Die EU wurde zum Vorbild für viele Regionen der Welt, weil sie sich auf den Prinzipien der Solidarität und der Synergie beruht. Es ist wichtig, die Grundwerte, die den Aufbau Europas erlaubt haben, nicht zu verlieren. Zusätzlich, müssen wir wahrnehmen, dass sich mittlerweile viele Dinge geändert haben. Eine kleine Union war leichter kohärent, während die erweiterte Union sicherlich komplizierter ist. Darüber hinaus erfordern die aktuellen globalen Probleme von den traditionellen Denk- und Handlungsweisen abzuweichen und kreativer zu werden

Brauchen wir eine bessere/andere Zusammenarbeit der europäischen Institutionen?

Zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen müssen wir die Funktionsweise der europäischen Institutionen verbessern. Gleichzeitig, müssen wir den Bürgern beibringen, dass wir alle das Europäische Projekt zusammen gestalten, dass es sich um ein kollektives Projekt handelt. Um sie zu überzeugen brauchen wir noch mehrere Schritte in Richtung Demokratisierung der EU-Institutionen, Bürokratieabbau, Transparenz und Beteiligung.

Wie große ist die Gefahr, dass die Finanzkrise auch eine Krise der Demokratie wird, weil die Bürger den Eindruck haben, ihre Politiker haben die Lage nicht mehr im Griff?

Das entspricht in der Tat eine große Gefahr; wahrscheinlich, ist auch ein Ziel der Spekulanten: sowohl die Politiker zu diskreditieren als auch die demokratischen Institutionen zu schwächen. Wir erleben eine Art von Krieg, der nicht mit Waffen sondern mit Finanzinstrumenten geführt wird. Allerdings, können wir diesen Krieg ausschließlich innerhalb der Politik gewinnen.

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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