Ungarn: Warum musste die „Népszabadság“ verstummen?
Herr Gergely, eine Redaktion einfach so vor die Tür setzen, wie geht das?
Wir sollten umziehen in neue Redaktionsräume. Am Freitag haben wir die Wochenendausgabe produziert, unsere Sachen gepackt und uns einen schönen Feierabend gewünscht, alles ganz normal. Am Samstag hatten wir erst keinen Zugriff mehr auf unsere Mails, dann kam die Nachricht von der Einstellung der „Népszabadság“ über andere Medien. Ein Schock.
Sie haben über andere Medien von der Schließung ihrer eigenen Redaktion erfahren?
Ja. Unsere Homepage war vom Netz genommen, das Archiv plötzlich nicht mehr nutzbar und unsere Mailzugänge inklusive der Kontaktdatenbanken sind gesperrt. Außerdem wurden für den Umzug vorbereitete Kartons weggeschlossen und die Redaktion darf das Gebäude nicht mehr betreten. Schlussendlich haben zahlreiche Redakteure ihre Beurlaubungen per Motorradkurier an der eigenen Wohnungstür überreicht bekommen.
Wer hat die Aktion ihrer Meinung nach veranlasst?
Es gibt Indizien dafür, dass wir nicht von unserem Verlag beurlaubt worden sind sondern von der ungarischen Regierung. Möglich ist, dass der österreichische Verleger von der Regierung Viktor Orbáns unter Druck gesetzt wurde. In jedem Fall wurden wir in eine Falle gelockt, die zynischer nicht sein könnte.
Welchen Anlass könnte Viktor Orbán haben, die „Népszabadság“ einzustellen?
Die „Népszabadság“ verfügt nicht nur über eine Tradition der Unabhängigkeit, wir haben in den vergangenen Wochen Geschichten recherchiert, die zwei der sechs engsten Vertrauten Orbans persönlich betreffen. Wir konnten dem Kommunikationsminister Antal Rogán und dem ungarischen Notenbankchef György Matolcsy unlauteres Verhalten bis hin zur Korruption nachweisen.
Also ist die Schließung der „Népszabadság“ ihrer Ansicht nach eine Art Retourkutsche der ungarischen Regierung gegen die unabhängige Presse?
Ich fürchte ja. Für mich steht fest: Dass sie uns gerade jetzt mundtot machen wollen, ist gleichzeitig eine Art der Würdigung für die harte Arbeit, die unsere Journalisten hier vor Ort machen.
Wie geht es jetzt weiter?
Unsere stärkste Waffe ist, über die Geschehnisse zu sprechen und so internationale Aufmerksamkeit zu schaffen. Momentan ist das Internet die einzige Möglichkeit, unsere Arbeit fortzusetzen und die Öffentlichkeit darüber zu informieren, was mit uns passiert.
Das klappt gut: Eine Protest-Seite auf Facebook hat mittlerweile knapp 50.000 Likes gesammelt. Gibt es auch analoge, echte Solidarität?
Ja, die gibt es. Uns wurde Hilfe dabei angeboten eine neue Homepage zu erstellen, im Bereich Rechtsvertretung und IT-Service, selbst neue Räume wurden uns zur Verfügung gestellt. Gerade die junge Generation will keine Angst haben und ist stolz darauf, uns helfen zu können. Das finde ich cool.