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Umstrittenes Trump-Telefonat: „Explosiv und verstörend“

Das Weiße Haus hat eine Mitschrift des Telefonats zwischen US-Präsident Trump und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj veröffentlicht. Darin fordert Trump von Selenskyj Ermittlungen zu seinem politischen Rivalen Joe Biden. Knuth Dethlefsen, der das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington leitet, erklärt die aktuelle Situation.
von Joanna Itzek · 26. September 2019
Das umstrittene Telefonat von Donald Trump mit dem ukrainischen Präsidenten könnte dem US-Präsidenten gefährlich werden.
Das umstrittene Telefonat von Donald Trump mit dem ukrainischen Präsidenten könnte dem US-Präsidenten gefährlich werden.

Warum gibt Trump ein Dokument frei, das ihn belastet? Und was ist von der Whistleblower-Beschwerde gegen Trump zu erwarten, die bald öffentlich wird?

Es ist am Mittwoch offensichtlich geworden, dass diese Mitschrift noch nicht alle Details enthält. Offenbar wissen die amerikanischen Geheimdienste noch mehr. Heute Vormittag Washingtoner Ortszeit wird der amtierende Direktor der Nationalen Dienste, Joseph Maguire, vor dem Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses Zeugnis ablegen. Es wird eine geschlossene und eine öffentliche Sitzung geben. Dabei wird es um den internen Whistleblower-Bericht gehen. Dieser Bericht hatte das ganze Verfahren ausgelöst und genau diesen Bericht wollte das Weiße Haus unter Verschluss halten, da er offensichtlich für Trump noch belastender ist als die uns bereits vorliegende Mitschrift. Der Inhalt des Berichts war selbst den Abgeordneten bis gestern nicht zugänglich. Abgeordnete, die inzwischen Einsicht in das Dokument nehmen konnten, bezeichneten den Inhalt als explosiv und verstörend. 

Das Weiße Haus hat aber auch ganz offensichtlich die Wirkung des bereits veröffentlichen Dokuments unterschätzt. Niemand will schließlich wirklich einen Präsidenten, der bei einer ausländischen Macht um Unterstützung bittet, um Vorteile bei politischen Auseinandersetzungen zu Hause zu erlangen. Trumps Vorgehen wird offen mit dem eines Mafiabosses verglichen.

Wie erfolgreich kann das von den US-Demokraten angestrebte Amtsenthebungsverfahren gegen Trump überhaupt sein ohne eine demokratische Mehrheit im Senat?

Es geht bei dem Verfahren nicht mehr darum, ob es letztendlich als Verfahren erfolgreich sein kann. Die Hürden, die die amerikanische Verfassung für eine erfolgreiche Amtsenthebung setzt, sind sehr hoch. Faktisch ist die Lage wie folgt: Die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses Nancy Pelosi hat bereits genügend Unterstützung für die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens. 218 Stimmen sind ihr im Abgeordnetenhaus dafür sicher. Doch der Senat fungiert in dem Verfahren als Richter; nur wenn zwei Drittel der Senatoren der Amtsenthebung zustimmen, kann diese gültig werden. 53 der 100 Senatoren sind Republikaner. Daher ist es unwahrscheinlich, dass 67 Senatoren Trump die Präsidentschaft entziehen werden. Die Demokraten müssten 20 republikanische Senatoren auf ihre Seite ziehen. Das wissen die Demokraten, ihnen geht es bei dem Verfahren um etwas anderes. 

Der Kongress ist das Kontrollorgan für den Präsidenten und genau dieser verfassungsmäßigen Rolle wollen sie gerecht werden. Es geht darum, das Land vor einem Mann zu schützen, der offensichtlich nicht als Präsident geeignet ist, die Würde des Amtes verletzt und die Sicherheit des Landes auf Spiel setzt. Letztendlich wollen die Demokraten aber auch einer möglichen ausländischen Einflussnahme auf die Wahlen 2020 einen Riegel vorschieben. Trump und seine Leute haben den Rubikon überschritten.

Inwiefern spielt ein solches Verfahren Trump im Wahlkampf in die Hände? Welche Risiken gehen die Demokraten damit ein?

Das Verfahren ist politisch brisant und riskant, es heizt die Stimmung und die Auseinandersetzung an. Eine Amtsenthebung des Präsidenten ist zum jetzigen Zeitpunkt in der Öffentlichkeit nicht beliebt. Doch durch das Verfahren werden auch die republikanischen Senatoren unter Druck gesetzt. Sie werden sich fragen lassen müssen, was wichtiger ist: die Loyalität zu Trump oder die amerikanische Verfassung und die Sicherheit des Landes und seiner Institutionen. Die Republikaner versuchen die ganze Angelegenheit herunterzuspielen, sie werden versuchen, das Verfahren also als politisch motiviert darzustellen. 

Dem Weißen Haus scheint die Ernsthaftigkeit der Lage noch nicht bewusst zu sein. Der Präsident versucht mit Desinformationen und Schuldzuweisungen in andere Richtungen von seinen Missetaten abzulenken. Er bemüht sich geradezu frenetisch, sich als Opfer einer Hetzjagd darzustellen und bemitleidet sich öffentlich selbst. Doch an diesen Auftritten ist auch abzulesen, wie sehr er und seine Präsidentschaft unter Druck geraten sind. Es ist nicht sicher, ob er dieser Auseinandersetzung gewachsen ist. Schon der sogenannte Mueller-Bericht hatte ihn nicht davon freigesprochen, die Justiz behindert zu haben und von der russischen Einflussnahme auf die Wahlen 2016 gewusst zu haben. Das nun eingeleitete Verfahren wird vermutlich zeigen, dass der Präsident bereit ist, mit ausländischen Mächten zusammenzuarbeiten, um im eigenen Land politisch Vorteile daraus zu ziehen. Und dass er windigen Anwälten mehr vertraut als den Institutionen der amerikanischen Verfassung. Er glaubt, über dem Recht zu stehen. Nancy Pelosi macht deutlich, dass dem nicht so ist. Da es um Grundsätzliches geht, verbietet sich politisches Taktieren.

Dieser Artikel erschien zunächst im ipg-Journal.

Autor*in
Joanna Itzek

leitet die Redaktion des IPG-Journals und arbeitet in der Internationalen Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung. Als Korrespondentin und Redakteurin war sie für verschiedene überregionale Tageszeitungen im In- und Ausland tätig.

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