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Umgang mit Trump: Es braucht den Druck von der Straße

Seit der Amtseinführung des US-Präsidenten Donald Trump stehen die Vereinigten Staaten von Amerika Kopf. Massenproteste sind die Folge. Matthias Quent fordert auch für Deutschland: „Raus aus der Filterblase, rauf auf die Straße“.
von Matthias Quent · 31. Januar 2017
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Donald Trump tut, was kaum ein Bürger ernsthaft noch von Politikern erwartet: Er hält die Versprechen, die vor seiner Ernennung als Wahlkampfgetöse eines Selbstdarstellers abgetan wurden, und demontiert mit erschreckender Geschwindigkeit die demokratischen Grundwerte der auf Immigration basierenden USA.

Wer stoppt Donald Trump?

Angela Merkel ergriff nun – in ihrer unaufgeregten Art – Position gegen die Politik des US-Präsidenten. Lippenbekenntnisse werden im Wahlkampfjahr jedoch nicht ausreichen als Zeichen gegen die internationale Offensive der nationalen Abschottung. 2003 gingen weltweit an einem Wochenende über sechs Millionen Menschen auf die Straße, um gegen den Irak-Krieg zu demonstrieren. Allein in Berlin demonstrierten über 500.000 Menschen bei der größten Kundgebung in der Geschichte der Bundesrepublik. Im Zusammenhang mit den milieuübergreifenden Massenmobilisierungen waren antiamerikanische und antisemitische Symbole und Parolen keine Einzelfälle, doch sie dominierten nicht. Vier Wochen nach der Spitze der Massenproteste wandte sich der damalige Bundeskanzler Schröder (SPD) an die Nation und unterstrich – trotz Zugeständnissen an die amerikanischen NATO-Partner –, Deutschland werde sich nicht an dem Krieg beteiligen. Heute gilt der Irakkrieg als Geburtsstunde der Terrorgruppe Daesh, die, nach Anschlägen in Belgien und Frankreich mit vielen Todesopfern, mit dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheitplatz im Dezember erstmals einen tödlichen Anschlag in Deutschland verübte.

Donald Trump hat (noch) keinem Land den Krieg erklärt: aber den freien Medien, den Grundrechten und den Muslimen, denen er per Dekret die Einreise verweigert, so lange sie aus einem Land stammen, mit dem seine privaten Firmen keine Geschäfte unterhalten. Mit einer großen Zahl schnell verabschiedeter und folgenreicher Dekrete will Trump offenkundig Tatsachen schaffen und das System der Checks und Balances umgehen – einen ersten Dämpfer erhielt er von einem New Yorker Bundesgericht.

Trump aktiviert amerikanische Zivilgesellschaft

Der Widerstand der amerikanischen Zivilgesellschaft gegen Trump und seine Politik ist massiv und geht nicht nur von Demokraten und Linken aus. Millionäre unterstützen die Bürgerrechts- Umweltbewegungen in den USA, Anwälte, Wissenschaftler, Bürgerrechtler, Republikaner, Beamte, Manager und vor allem tausende ‚normale‘ Frauen und Männer protestieren nach ihren Möglichkeiten im Internet, auf den Plätzen und an den Flughäfen gegen Trump. Die von dem einflussreichen amerikanischen Soziologen Robert Putnam diagnostizierte Phase des „bowling alone“ – also des Niedergangs des bürgerschaftlichen Engagements der Zivilgesellschaft – scheint vorerst beendet. Trump hat die sozialen Bewegungen und die Zivilgesellschaft provoziert und es ist zu hoffen, dass jener Kern der amerikanischen Demokratie – die Aktivierung des liberalen demokratischen Geistes – die Präsidentschaft Trumps überdauern wird. Nicht unmöglich ist, dass sie diese Präsidentschaft sogar vorzeitig beenden könnten.

Trump hat den Rassisten und Rechtsextremen Bannon in den einflussreichen Sicherheitsrat der USA berufen: Bannon plant weltweit nationalistische Strömungen zu unterstützen: In der AfD reibt man sich bereits die Hände. In deutschen Medien und sozialen Netzwerken ist das Entsetzen über die Politik Trumps groß. Keiner weiß, was in den nächsten Wochen und Monaten noch folgen wird.

Demokratie auf der Straße verteidigen

Und die progressive Zivilgesellschaft in Deutschland? Sie schaut paralysiert über den Atlantik und ängstlich auf die Prognosen für die Bundestagswahl im September. Sie diskutiert, ob der Rechtsextreme Höcke vom Verfassungsschutz überwacht werden sollte, während in den USA ein Rechtsextremer künftig die Außenpolitik mitentscheidet. Allein mit Stoizismus und der Verteidigung des europäischen Integrationsprojektes wird es den Kanzlerkandidaten und ihren Parteien kaum gelingen, einen globalen Gegenpol zum Rassismus und Nationalismus der Politik von Trump zu setzen. Wie einst im Jahr 2003 bei Schröder braucht es 2017 Druck von der Straße – aus der Zivilgesellschaft, die solidarisch mit den Protestierenden in den USA sind; Massenproteste, gegen die die PEGIDA lächerlich sein wird. Es ist höchste Zeit, die Tablets zur Seite zu legen, die Filterblasen zu verlassen, Bündnisse zu schmieden und zur Verteidigung der Demokratie auf die Straße zu gehen.

Der Autor des Beitrags ist Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena und hat auf vorwärts.de zuletzt über das NPD-Verbotsverfahren geschrieben.

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Matthias Quent

ist Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena.

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