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Ukraine, Russland, Belarus: Asyl für Kriegsdienstverweigerer?

Organisationen der Flüchtlings- und Friedensbewegung fordern den Bundestag auf, sich für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine einzusetzen. Welchen Erfolg hat ihr Appell?
von Christian Rath · 29. März 2022

Der Bundestag soll kriegsflüchtigen Männern aus Russland, Belarus und der Ukraine zu einem sicheren Aufenthalt verhelfen. Diese sollen in Deutschland Asyl und damit ein gesichertes Aufenthaltsrecht erhalten. Initiiert wurde der Appell von Connection e.V., einer Initiative, die sich seit 1993 für Deserteure einsetzt.

Zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs dafür

Der Appell kann sich dabei vor allem auf zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stützen. 2015 urteilte der EuGH im Fall des US-Hubschrauber-Mechanikers Andre Shepherd, der nicht am Irak-Krieg teilnehmen wollte. Ein Kriegsdienstverweigerer kann in Europa Asyl erhalten, so der EuGH, wenn er sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit an Kriegsverbrechen teilnehmen müsste und die Desertion die einzige Möglichkeit war, sich dem zu entziehen. Im Fall Shepherd sah die deutsche Justiz zwar die Kritieren nicht erfüllt, aber die Maßstäbe können nun auch angesichts des Ukraine-Kriegs genutzt werden.

Im zweiten EuGH-Urteil von 2020 ging es um syrische Kriegsdienstverweigerer. Diese können in der EU den Flüchtlingsstatus (und nicht nur subsidiären Schutz) erhalten. Denn bei ihnen könne als Fluchtgrund vermutet werden, dass sie nicht an Kriegsverbrechen teilnehmen wollten.

Welche Chancen haben russische Verweigerer?

Im Fall von russischen Deserteuren scheint ein Asyl-Anspruch damit sehr nahe zu liegen. Schließlich bestreitet kein seriöser Beobachter, dass die russische Invasion in die Ukraine ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg ist, der mit zahlreichen Kriegsverbrechen an der ukrainischen Zivilbevölkerung einhergeht.

Rudi Friedrich von Connection sieht trotzdem mögliche Probleme beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). „Viele junge Männer, die Russland jetzt verlassen, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen, tun dies, bevor sie einberufen werden, denn anschließend dürfen sie nicht mehr ausreisen.“ Das BAMF könnte daher bezweifeln, ob überhaupt eine konkrete Gefahr bestand, in der Ukraine eingesetzt zu werden.

Welche Chancen haben Männer aus Belarus?

„Hier wäre ein klares politisches Signal des Bundestags oder eine Anweisung von Innenministerin Nancy Faeser an das BAMF sehr hilfreich“, sagte Friedrich. Bisher sind ihm aber noch keine Asylanträge von russischen Verweigerern in Deutschland bekannt. Diese befänden sich derzeit noch in Ländern wie Georgien, Armenien, Serbien oder der Türkei, wohin sie visumsfrei ausreisen konnten.

Für junge Männer aus Belarus, die sich dem Krieg entziehen wollen, wäre die Lage noch prekärer, wenn sie in Deutschland Asyl beantragen. Denn bisher ist Belarus offiziell noch nicht Kriegspartei an der Seite Russlands. „Es ist aber sehr sinnvoll zu fliehen, bevor die Mobilmachung beginnt“, betont Friedensaktivist Friedrich.

Position ukrainischer Kriegsflüchtlinge schwierig

Asylrechtlich am schwierigsten ist die Position von ukrainischen Kriegsflüchtlingen. Denn bei der ukrainischen Armee geht es ja nicht um einen illegalen Angriffskrieg, sondern um eine äußerst gerechtfertigte militärische Verteidigung. Und ein generelles Asylrecht für Kriegsdienstverweigerer ist bislang weder in der EU noch in internationalen Verträgen anerkannt.

Nach der ukrainischen Mobilmachung 2014 im Krieg um den Donbass flohen laut Connection Tausende Ukrainer nach Deutschland, erhielten aber kein Asyl. Ihre Begründung, dass sie nicht in einem Krieg kämpfen wollten, bei dem ihre Familien auf beiden Seiten der Front leben, galt nicht als asylrelevant.

Tatsächlich ist die rechtliche Position ukrainischer Deserteure aber gut – wenn es ihnen gelingt, das Land zu verlassen. Wie alle anderen Ukrainer und Ukrainerinnen können sie visumsfrei in die EU einreisen und erhalten im Rahmen der EU-Massenzustrom-Richtlinie ein drei-jähriges Aufenthaltsrecht.

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