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Ukraine: Mächtige bleiben mächtig

von Jörg Hafkemeyer · 28. November 2013

Die Ukraine ist in einem beklagenswerten Zustand. Sie stolpert auf einen wirtschaftlichen Kollaps zu. Den politischen hat sie bereits hinter sich.

Die Hoffnung auf eine rasche und vor allem spürbare Verbesserung der Lage ist bei vielen Ukrainern gering. Die von Präsident Viktor Janukowitsch und seiner Regierung seit Monaten mehr und mehr betriebene Abwendung von der EU hat einen großen Teil der Bevölkerung desillusioniert.

Dazu kommt die brutale politische und ökonomische Abhängigkeit von Präsident Wladimir Putin und dessen Regierung. Die übt massiven Druck aus auf einige Länder, die aus dem verloren gegangenen Moskauer Imperium entstanden sind. Staaten wie die Ukraine, Moldau, Georgien und die baltischen Republiken. Letztere sind in der EU und wie Litauen auch in der Nato. Die ersten drei sollten assoziiert werden. Das wird mit der Ukraine nun nichts.

Große Abhängigkeit von Moskau

Das hat Präsident Janukowitsch klipp und klar formuliert: „Sobald wir ein Niveau erreichen, das uns bequem erscheint, wenn es unseren Interessen entspricht, wenn wir unter normalen Bedingungen verhandeln können, dann können wir über eine Unterzeichnung sprechen.“

Das kann dauern. Denn es fehlt an so vielem: So an einem funktionierenden Rechtssystem. An korruptionsfreien Zoll- und Unternehmensstrukturen. Es fehlt auch an unmanipulierten Wahlen. Und es fehlt an Politikern in allen Parteien, die sich unabhängig von nationalen wie internationalen Interessengruppen und Beeinflussungen machen.

Schließlich fehlt es der Ukraine an Geld. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte der Regierung in Kiew zwar einen Kredit in Höhe von 4,1 Mrd. Euro angeboten, zu harten Bedingungen allerdings: Die Löhne und Renten sollten eingefroren, die Gas- und Strompreise erhöht, die Landeswährung Hrywnia abgewertet werden. Die Ukraine lehnte ab. 

Für Ministerpräsident Nikolai Asarow waren das nicht „zu akzeptierende Bedingungen“: „Der Fonds versteht die Situation nicht.“ Auch der in der Ukraine sehr umstrittene Präsident Janukowitsch beklagte sich, dass Brüssel die schon 2010 angekündigte technische Hilfe von 610 Millionen Euro nicht ausgezahlt hat: „Drei Jahre lang haben sie uns das wie einen Bonbon in einer schönen Verpackung hin gehalten.“ Doch alle Hoffnungen hätten sich zerschlagen. 

Oligarchen bleiben mächtig, politische Gefangene bleiben gefangen

Janukowitsch stellt die Situation so dar, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als auf Moskau zuzugehen. Er tat das jedoch in einer Phase, als der russische Präsident bereits mächtig politischen Druck gemacht und mit umfänglichen Handelssanktionen gedroht hatte. Ein Prozess, der bei der EU offensichtlich unterschätzt wurde.

Die von der Ukraine nicht vollzogene Assoziierung liegt ganz im Sinne Moskaus. Wladimir Putin will nicht von der EU und ihr assoziierten Staaten eingekreist werden. Im Falle der Ukraine ist diese Politik erfolgreich gewesen. Janukowitsch wird ohne Putin nicht mit der EU sprechen, das hat er bereits angekündigt. Was Letzterem noch mehr Einfluss geben wird. 

Solange kann in der Ukraine alles so bleiben wie es ist: Die Mächtigen bleiben mächtig. Dazu gehören auch die Oligarchen. Die politischen Gefangenen bleiben gefangen. Das gilt auch für die Hunger streikende Julia Timoschenko. Die vielen Arbeitslosen bleiben ohne Arbeit. Und die Ukraine bleibt in einem beklagenswerten Zustand.

 

Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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