International

Ukraine droht im Chaos zu versinken

von Jörg Hafkemeyer · 22. Januar 2014

Die Situation in der ukrainischen Hauptstadt Kiew wird immer unübersichtlicher und gefährlicher. Die Protestaktionen werden zunehmend gewaltsam. Die Reaktionen der staatlichen Kräfte ebenfalls.

Die Situation in Kiew droht komplett aus dem Ruder zu laufen. Zwei Demonstranten sind getötet worden. Die genauen Todesumstände sind bislang ungeklärt. Regierung und Opposition machen sich gegenseitig verantwortlich. Die Anzahl der Verletzten ist nicht festzustellen. Hunderte sollen es sein. Eine unbekannte Zahl von Demonstranten wurde verhaftet.

Die Behörden der Stadt haben den Tod eines Mannes bestätigt. Er wurde im Zentrum der Stadt gefunden. Erschossen. Der zweite Tote ist ein 22jähriger. Die Kiev Times berichtete, der junge Mann habe Feuerwerkskörper und Molotow-Cocktails auf die Polizisten geworfen. Darauf hin hätten die Gummigeschosse abgefeuert und Gasgranaten geworfen. Vitali Klitschkos Befürchtung, es könne Tote geben ist leider wahr geworden. Und die Lage gerät außer Kontrolle. 

Massiver Einsatz gegen Demonstranten

Die politische Führung des Landes unter Viktor Janukowitsch hat brutale Gesetze in Kraft gesetzt, die Autokorsos, Vermummungen, Straßenblockaden, Demonstrationen, Verleumdungen und „Aufrufe zum Extremismus“ unter harte Strafen stellen. Die Sondereinheiten und die Polizei können nun massiv und gewalttätig und unter Einsatz von Schusswaffen  gegen die Protestierenden vorgehen. Das tun sie auch, wie die vergangenen Tage zeigen.

Der Präsident ist sich der Unterstützung Russlands gewiss. Das zeigt auch eine Äußerung des russichen Außenminister Sergej Lawrow. Er warf der ukrainischen Opposition vor, ihre Aufrufe zur Ruhe zeigen, dass sie die Lage nicht im Griff habe. „Das Vorgehen der Demonstranten ist beängstigend und eine Verletzung aller europäischen Normen.“ Carl Bildt, sein schwedischer Kollege, kritisierte die ukrainische Regierung: „Das ist das umfassendste Repressionspaket, das in Jahrzehnten von einem europäischen Parlament beschlossen worden ist.“ Polens Außenamtschef Radoslaw Sikorski sagte: „Präsident Janukowitsch wird nicht mehr nach seinen Worten, nur noch nach seinen Taten beurteilt.“

Präsident Janukowitsch lehnt Gespräche ab

Der Präsident der Ukraine hat sich in der sehr explosiven Situation weiterhin Gesprächen verweigert und ließ erklären, die Regierung werde weder den Ausnahmezustand ausrufen noch die erlassenen drakonischen Gesetze widerrufen. Das macht die Lage so gefährlich wie auch die Tatsache, dass immer mehr der Aktivisten auf der Straße die Oppositionspolitiker, auch Vitali Klitschko, kritisieren. Viele von ihnen betrachten die neuen Gesetze, die jede Form von Protesten gegen die Regierung verbieten und unter härteste Strafe stellen, als einen Staatsstreich durch den Staat, dem nur mit Gewalt begegnet werden könne.

Opposition uneins

Obendrein sind sich die Oppositionspolitiker untereinander nicht einig. Wie angespannt die Situation ist, zeigt auch der Umstand, dass es auf dem Maidan Platz zu wilder Kritik an Klitschko und anderen Oppositionsführern gekommen ist. Die Kritiker werfen ihnen vor, keine Strategie im Kampf gegen die Regierung zu haben. Eine größere Zahl der Demonstranten ist nach so vielen Wochen des Protests mit der eigenen Führung über Kreuz. Frustriert. Gewaltbereit. Zehn Jahre nach der orangenen Revolution ist die friedliche Revolution gestorben. Auf dem Maidan mitten in Kiew. In der Ukraine herrscht Aufruhr und es besteht die Gefahr eines Bürgerkriegs.

Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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