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Udo Bullmann: Die alte Juso-Strategie als Weg aus der Krise der Sozialdemokratie

Udo Bullmann, der neue Chef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, setzt auf europäische Lösungen - auch im Kampf gegen den wachsenden Populismus. Jugendarbeitslosigkeit, Klimawandel, Migration: Diese Probleme seien nicht mehr national zu lösen, sondern nur noch europäisch.
von Lars Haferkamp · 30. April 2018
Udo Bullmann: Der neue Chef der europäischen Sozialdemokraten im EU-Parlament setzt auf Erneuerung.
Udo Bullmann: Der neue Chef der europäischen Sozialdemokraten im EU-Parlament setzt auf Erneuerung.

Udo Bullmann, was ist Ihr wichtigstes Ziel als neuer Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament?
Die Fraktion selbstbewusst in einen starken Wahlkampf zur Europawahl im Mai 2019 zu führen.

Die Sozialdemokratie in Europa ist in einer prekären Lage. Manche Partei, die eben noch regiert hat, muss um ihre Existenz fürchten. Was muss geschehen?
Es gibt nationale, aber auch europäische Gründe für diese Krise. Die italienischen Sozialdemokraten etwa haben stark darunter gelitten, dass es keine gemeinsame Flüchtlingspolitik in der EU gibt. Die Rechtspopulisten profitieren überall dort, wo die Regierungsparteien nicht liefern. Deshalb brauchen wir in der Flüchtlingsfrage schnell Lösungen. Auch mit den ost- und mitteleuropäischen Ländern, die sich bisher einer gemeinsamen Politik verweigern.

In der europäischen Sozialdemokratie sprechen alle von Erneuerung. Was heißt das konkret?
Wir müssen die Sozialdemokratie europäisieren. Jugendarbeitslosigkeit, Klimawandel, Migration – diese Probleme können wir nicht mehr alleine national, sondern nur noch europäisch lösen. Unsere Parteien müssen lernen, europäische solidarische Antworten zu geben.


Im Gegensatz zu den Schwesterparteien ist die Labour Party mit mehr als 40 Prozent Zustimmung sehr stark. Kann man etwas von Labour lernen?
Labour hat bei der vorigen Wahl eine fantastische Kampagne geführt, in der die sozialen Anliegen und Sorgen der Menschen im Mittelpunkt standen. Das war goldrichtig, denn so wurde der klarste Unterschied zu den Tories thematisiert. Ich glaube an die alte Juso-Strategie: eine kluge Reformpolitik mit einer lebendigen Partei betreiben und dafür gleichzeitig Unterstützung organisieren in den Kiezen, Universitäten und Gewerkschaften.


War es für Labour ein Vorteil, aus der Opposition heraus zu kämpfen?
Man kann in der Opposition scheitern und in der Regierung. Man kann aber auch umgekehrt in der Regierung Menschen überzeugen durch praktische Arbeit, ebenso wie mit guter Oppositionspolitik.


Der Koalitionsvertrag von SPD und Union, den Sie mitverhandelt haben, enthält ein klares Bekenntnis zu Europa. Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung?
Berlin sollte die Reformbemühungen in den südlichen EU-Ländern, etwa in Portugal, stärker anerkennen. Es muss endlich unterschieden werden, ob Haushaltsmittel in Ausbildungsplätze für arbeitslose Jugendliche investiert werden oder in die Versorgung der eigenen Familien in Regierung und Staatsbetrieben, wie es Konservative oft gemacht haben. Wir sollten dem Süden die Hand reichen.


Die Umfragen zeigen: In Deutschland gibt es Sorgen vor mehr deutschen Zahlungen an Brüssel, besonders vor einer Vergemeinschaftung von Schulden in der Euro-Zone. Sind diese Sorgen begründet?
Wenn wir mehr investieren sowohl in Deutschland, als auch in unseren Nachbarländern, dann wird es eine Win-Win-Situation. Dann reden wir nicht über die Vergemeinschaftung von Schulden, sondern über die Vergemeinschaftung der Erfolge unserer gemeinsamen Investitionspolitik. Das Wohlergehen unserer Nachbarn ist die Voraussetzung dafür, dass es auch uns gut geht.


Wie können die Bürger von einer stärkeren europäischen Integration, von mehr Europa, überzeugt werden, wenn die Europaskepsis in fast allen Ländern der EU wächst?
Indem die Bürger spüren, dass sie davon profitieren. Die EU muss den Nachweis erbringen, dass sie das Leben der Menschen verbessert. Leider haben wir in Brüssel viel zu lange eine Politik erlebt, die die Probleme vertagt oder verschläft. Ich erinnere an die zehn Jahre unter dem konservativen Kommissionspräsidenten Barroso. Das darf sich nicht wiederholen.

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