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Türkei: SPD-Politiker fordern Abzug der Bundeswehr aus Incirlik

Diese Woche wollten Bundestagsabgeordnete die deutschen Soldaten im türkischen Incirlik besuchen – doch die Erdoğan-Regierung hat ihnen die Einreise untersagt. Nun fordern SPD-Politiker den Abzug der Bundeswehr.
von Paul Starzmann · 15. Mai 2017
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Das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara ist schon lange angespannt. Jetzt scheint die Türkei den Bogen aber überspannt zu haben: Am Samstag teilte die Regierung in Ankara mit, dass keine deutschen Bundestagsabgeordneten nach Incirlik fliegen dürfen, um die dort stationierten deutschen Soldaten zu besuchen. Seit Anfang 2016 beteiligt sich die Bundeswehr von der Türkei aus am Kampf gegen die Terror-Miliz „Islamischer Staat“. Die Obleute aus dem Verteidigungsausschuss des Bundestages wollten die deutschen Soldaten diese Woche auf der Luftwaffenbasis Incirlik nahe der syrischen Grenze besuchen. Ein ganz normaler Vorgang – die Türkei ist NATO-Mitglied und offizieller Partner im Kampf gegen den IS.

Einreiseverbot: SPD-Politiker fordern Konsequenzen

Doch nun dürfen die deutschen Abgeordneten nicht in die Türkei einreisen. Die Erdoğan-Regierung will das nicht – weswegen SPD-Politiker nun harte Konsequenzen fordern.

„Wenn wir unsere Soldatinnen und Soldaten in der Türkei nicht besuchen dürfen, dann können sie auch nicht dort verbleiben“, sagte der SPD-Politiker Wolfgang Hellmich gegenüber vorwärts.de. Hellmich ist der Vorsitzende des Verteidigungssausschusses im Bundestag. Er sieht die Entscheidung aus Ankara als endgültig an. Die Position der türkischen Regierung sei klar. „Dann ist auch unsere Haltung eindeutig: Wir lassen uns nicht erpressen.“ Der Hintergrund ist, dass nach dem gescheiterten Putschversuch im vergangenen Jahr und den darauffolgenden „Säuberungswellen“ immer mehr türkische Soldaten in Deutschland Asyl bekommen. Manche Beobachter gehen davon aus, dass das Einreiseverbot für deutsche Politiker damit zusammenhängt.

Truppenabzug: „möglichst schnell und zügig“

Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Heinz Brunner sprach sich am Montag für eine Verlegung der deutschen Truppen aus. Er hat die Luftwaffenbasis Incirlik bereits im Oktober 2016 besucht. Schon damals habe er über alternative Standorte für die Bundeswehrtruppen nachgedacht, sagte er. „Weil mir das Gehabe in der Türkei gegen den Strich läuft.“ Dass deutsche Abgeordnete im vergangenen Jahr nach Incirlik reisen durften, jetzt aber keine Genehmigung erhalten, kann Brunner nicht verstehen. Seine Forderung: Die Bundeswehr müsse aus der Türkei abgezogen werden – „möglichst schnell und zügig“. Er wünscht sich eine klare Kante gegenüber der türkischen Regierung: „Wir sind immer zu Verhandlungen bereit, aber irgendwo muss auch Gesprächsbereitschaft erkennbar sein,“ sagte er. „Willkür schafft kein Vertrauen.“

Gabi Weber, Mitglied im Verteidigungsausschuss, sieht keine Alternative zum baldigen Abzug der Bundeswehrtruppen. „Das Reise- und Besuchsverbot ist unmöglich“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete, die ebenfalls diese Woche nach Incirlik fliegen wollte. „Zwischen NATO-Partnern ist Vertrauen unabdingbar. Dazu gehört, dass für unsere Parlamentsarmee ein Besuch von Abgeordneten möglich sein muss.“ Die türkische Regierung isoliere das eigene Land zunehmend, so Weber. „Eine andere Lösung als die Verlegung unserer Soldatinnen und Soldaten sehe ich nicht.“

Ursula von der Leyen schweigt

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler zeigte sich verärgert über Ankara: „Die Türkei hat mir und meinen Kollegen erneut verwehrt, die Bundeswehrsoldaten in Incirlik zu besuchen. Die Konsequenz kann nur ein Abzug unserer Truppen sein.“ Dass deutsche Parlamentarier ihre Soldaten besuchen können, sei die Grundlage für alle Auslandseinsätze der Bundeswehr. Sollte die türkische Regierung bei ihrer Blockadehaltung bleiben, seien weitreichende Folgen nicht auszuschließen, so Hitschler: „Sollte die Türkei diese Besuche tatsächlich als politisches Druckmittel missbrauchen, müssen wir sogar ihre grundsätzliche militärische Kooperationsbereitschaft hinterfragen.“

Ursula von der Leyen, die als Verteidigungsministerin die Kommando- und Befehlsgewalt über die Bundeswehr hat, hat sich zu den jüngsten Entwicklungen indes noch nicht geäußert. Kein Wunder: Seit der Affäre um die mutmaßlichen Terrorpläne des rechtsextremen Offiziers Franco A. befindet sie sich ohnehin in Erklärungsnot. Nach Medienberichten hat ihr Ministerium aber zumindest einen möglichen Abzug der Bundeswehr aus der Türkei geprüft. Als alternative Standorte kämen Kuwait, Jordanien oder Zypern in Frage, heißt es – allerdings würde die Verlegung der Truppen wohl Monate dauern.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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