International

Türkei: Erdogan lässt Interpol nach Can Dündar fahnden

Die Türkei will dem früheren Cumhuriyet-Chefredakteur Dündar erneut den Prozess machen. Sie lässt mithilfe von Interpol international nach ihm suchen. Gleichzeitig sorgt die Türkei im Kosovo mit einem „Kidnapping“ für einen weiteren Eklat.
von Fabian Schweyher · 3. April 2018
Can Dündar
Can Dündar

Seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 geht die Türkei kompromisslos gegen vermeintliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Allerdings ebenso im Fadenkreuz: politische Gegner und Menschen mit unbequemer Meinung. Selbst im Ausland verfolgt die türkische Regierung ihre angeblichen Gegner. Dabei versucht sie auch immer wieder, Interpol für sich arbeiten zu lassen. Aktuell soll der in Deutschland lebende Journalisten Can Dündar auf die Fahndungsliste der internationalen Polizeiorganisation gesetzt werden.

Waffenlieferungen nach Syrien

Ein türkisches Gericht erließt am Ostermontag Haftbefehl gegen Dündar und forderte das türkische Justizministerium auf, eine entsprechende „Red Notice“ bei Interpol vermerken zu lassen. Das hätte zur Folge, dass die deutsche Polizei Can Dündar festnehmen kann – stellvertretend für die Türkei. Allerdings müssen die Interpol-Mitgliedsstaaten einer „Red Notice“ nicht nachkommen.

Wie türkische Medien berichten, soll dem früheren Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ Anfang Mai der Prozess gemacht werden. Der Vorwurf: Spionage. Auslöser dafür sind Zeitungsartikel, in denen Waffenlieferungen der türkischen Regierung an syrische Islamistengruppen im Jahr 2014 beschrieben werden. Dündar war deswegen im Mai 2016 bereits wegen Geheimnisverrats zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt worden, legte jedoch Revision ein und reiste im Juni 2016 nach Deutschland aus.

Vorübergehend festgesetzt

Es ist nicht das erste Mal, dass Ankara über Interpol nach Menschen suchen lässt. Für Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr der türkischstämmige deutsche Schriftsteller Dogan Akhanli, der aufgrund einer „Red Notice“ zunächst von der spanischen Polizei im Urlaub festgesetzt wurde. Spanien lieferte ihn jedoch nicht an die Türkei aus. Der Schriftsteller durfte zurück nach Deutschland reisen. Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte die Türkei damals für die Interpol-Fahndung.

Das mitunter rabiate Vorgehen der Türkei, um sich angeblicher Gegner habhaft zu werden, schlägt derzeit auch im Kosovo Wellen. Während einer geheimen Kommandoaktion des türkischen Geheimdienstes MIT, die angeblich in Kooperation mit kosovarischen Sicherheitskräften ausgeführt wurde, sollen in der vergangenen Woche sechs angebliche Mitglieder der Gülen-Bewegung im Kosovo festgenommen und in die Türkei gebracht worden sein. Ein offizieller Auslieferungsantrag der Türkei war zuvor abgewiesen worden.

„Kidnapping“ im Kosovo

Kosovos Generalstaatsanwalt Aleksander Lumezi spricht von „Kidnapping“ und hat Ermittlungen angekündigt. Bereits zuvor hatte Premierminister Ramush Haradinaj den Innenminister sowie den Geheimdienstchef gefeuert, wofür er sich den Zorn des türkischen Präsidenten zuzog. In einer Rede bezeichnete Erdogan ihn als eine „Marionette, dessen Fäden von anderen gezogen werden“. Und weiter: „Wie kannst du so gegen die Türkei arbeiten? (...) Du wirst dafür zur Rechenschaft gezogen: die Karriere des Premiers wird zu Ende gehen.“

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