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Trump gegen Clinton: Jetzt wird der US-Wahlkampf richtig schmutzig

Es ist eine Schlammschlacht ohne Beispiel, die in den letzten Wochen vor der Präsidentschaftswahl über die USA hereingebrochen ist. Doch es gibt auch viel Empathie und Herzlichkeit im Wahlkampf. Judith Klose begleitet den Wahlkampf der Demokraten vor Ort. Und staunt.
von Judith Klose · 14. Oktober 2016
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„She is so amazing!“ Das ist das erste Mal, dass ich so einen Satz über Hillary Clinton höre. Matty ist an der Georgetown University bei den College Democrats und großer Hillary-Fan. Seit über einer Woche bin ich nun in Washington für den SPD-Parteivorstand und beobachte die Wahlen, spreche mit Experten und informiere mich über neue Wahlkampfinstrumente. Doch so richtige Hillary-Fans sind mir bisher nicht über den Weg gelaufen. Und das in einer Stadt, in der Obama 2012  fast 91 Prozent der Stimmen holte. Das Ergebnis wird dieses Mal wahrscheinlich ähnlich sein. Doch Begeisterung ist nicht zu spüren.

Trump oder Clinton: Es ist ein Anti-Wahlkampf

Das grundlegende Gefühl hier ist Ablehnung. Es ist ein Anti-Wahlkampf. Warum die Leute Hillary wählen werden? Weil sie nicht Trump ist. Die Leute wollen keinen Lügner oder Rassisten oder frauenfeindlichen Grabscher. Warum die Leute Donald Trump wählen? Weil er nicht Hillary ist. Er ist kein Politiker. Er ist nicht Teil des Systems. Er sagt angeblich alles so, wie es ist. Das Nicht-Sein des anderen ist bei den Wählern in den Umfragen das Top-Argument. Inhalte sind Fehlanzeige.

Der Wahlkampf gleicht einer Schlammschlacht. Die Nachrichten werden bestimmt von Sexismus-Videos, Wikileaks-Enthüllungen, Email-Affären und vor allem innerparteilichen Zerwürfnissen. Allein die Trump-Tweets und Auftritte der letzten Woche machen einen schwindelig. Er tut den Sexismus-Skandal als Gerede ab, versucht angebliche Vergewaltigungsvorwürfe von Bill Clinton auf die Agenda zu setzen und greift Paul Ryan und die Republikaner an.

Trump als Krebsgeschwür der Republikaner

Man stelle sich vor, in Deutschland würde ein Kanzlerkandidat als Sexist entlarvt, in einer TV-Debatte den Vorschlag machen, die Gegenkandidatin in den Knast zu stecken und  sich danach mit dem Fraktionsvorsitzenden überwerfen. Und das alles innerhalb weniger Tage – unvorstellbar. Auch für viele Republikaner. Eine Republikanerin, die für Mitt Romney 2012 arbeitete, bezeichnete mir gegenüber Trump als Krebsgeschwür der Partei. Sie warte nur auf den 9. November, wenn alles vorbei sei. Doch Augen zu und durch ist für die Konservativen keine Lösung. Es geht schließlich auch um die Mehrheit im Kongress. Also weiter Wahlkampf machen.

Abwarten ist auch für die Demokraten keine Lösung. Am Ende ist es alles eine Frage, wer wirklich ins Wahllokal geht. Läuft man durch die Straßen in Washington, könnte man den Wahlkampf fast vergessen. Es gibt keine Wahlplakate, kaum Veranstaltungen der Parteien. Zum Glück gibt es den Burger-Laden an der Ecke, der Clinton- und Trump-Burger auf der Karte hat. Washington ist kein Swing State. Hier gibt es keinen Wahlkampf. Genauso wie in vielen anderen Bundesstaaten. Fährt man jedoch am ehrwürdigen Lincoln-Memorial vorbei über den Potomac, steht man in Virginia, einem hart umkämpften Bundesstaat. Dort werden die Wähler permanent kontaktiert – über SMS und Briefe, Fernseh-Werbung, Wahlkampfauftritte und vor allem Hausbesuche.

Wahlkampf für Clinton von Tür zu Tür

Die Menschen aus Virginia durften sich letzte Woche besonders über meinen Besuch freuen. Sonnenschein, Sonntagnachmittag, ein idyllischer Vorort mit Einfamilienhäusern in Virginia. Klopf, klopf – „wir möchten Sie gerne um Ihre Unterstützung für Hillary Clinton bitten!“ Tür zu Tür gehört hier zum zentralen Wahlkampf dazu. Ich bin aufgeregt. Was ist, wenn ich auf einen Trump-Anhänger stoße? Jagt der mich von seinem Grundstück, wenn er meinen Hillary-Sticker auf der Bluse sieht? Bei dem Hass im Wahlkampf nicht ganz abwegig.

Doch komischerweise ist es ganz anders. Selbst die Menschen an der Tür, die Hillary komplett ablehnen, sind höflich und bedanken sich für den Besuch. Herzlichkeit auf republikanisch. Noch viel schöner ist die Herzlichkeit auf demokratischer Seite. Eine ältere Dame, die ihren Sonntagnachmittag mit Freiwilligenarbeit für Hillary verbringt, hat mitbekommen, dass zwei Deutsche beim Tür-zu-Tür Einsatz dabei waren. Sie fragt, warum wir das machen. Weil die Wahl auch internationale Auswirkungen haben wird – von Frieden über den Klimaschutz bis hin zum Kampf gegen Rechtspopulismus, antworten wir. Als sie uns mit dem Auto zur Metro-Station fährt, sagt sie zu uns: „Danke, dass Ihr Euch so um die amerikanische Demokratie kümmert!“ Ein einmaliger Satz in einer einmaligen Woche. Und ein Funken Herzlichkeit, den ich bei meinen weiteren Wahlkampfeinsätzen in New York und Ohio hoffentlich auch erfahren werde.

 

Judith Klose ist für die letzten Wochen des US-Wahlkampfs vor Ort. Sie berichtet jede Woche von ihren Eindrücken und spannenden Ideen im Wahlkampf auf vorwärts.de; darüber hinaus schreibt sie bei Twitter unter #wahlwatching.

Autor*in
Judith Klose

leitet das Büro des stellv. Parteivorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel im Willy-Brandt-Haus.

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