Triumphiert Wilders? Das große Zittern vor der Wahl in den Niederlanden
Bei der Parlamentswahl in den Niederladen am 15. März droht ein politisches Erdbeben. Das lässt der Blick auf die jüngsten Umfragen vermuten. Man erkennt die Niederlande fast nicht mehr wieder. Das lockere, progressive Holland, der glückliche Wohlfahrtsstaat zwischen Deutschland und Skandinavien, hat sich scheinbar völlig verändert.
Mitte-Rechts gegen Extrem-Rechts
Die stärksten Parteien sind nach den Wahlumfragen die rechts-populistische Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders und die konservativ-liberale Partei (VVD) von Ministerpräsident Mark Rutte. Der Wahlkampf scheint bisher vor allem ein Kampf zwischen diesen beiden Parteien auf der Rechten um den ersten Platz zu sein. Fast alle Parteien haben eine Regierungskoalition mit Wilders ausgeschlossen, der damit nicht Ministerpräsident werden dürfte. Stattdessen wird mit einer Vielparteien-Koalition gerechnet.
Dennoch: Die populistische Revolte in den Niederlanden ist ein Alarmsignal und Ausdruck einer Vertrauenskrise. Es geht dabei um die nachlassende Bindekraft der liberalen Nachkriegsdemokratie und des solidarischen Wohlfahrtsstaates. Durch den Druck von Globalisierung, Migration und Enttraditionalisierung droht die soziale Marktwirtschaft unterminiert und die Parteiendemokratie ausgehöhlt zu werden.
Sozialdemokraten sind marginalisiert
Die einst mächtigen Volksparteien, die Christendemokraten und die Sozialdemokraten, sind weitgehend marginalisiert. Die Schwesterpartei der CDU, die niederländische CDA, liegt in den Umfragen auf dem dritten Platz.
Die PvdA, die „Partei der Arbeit“ und Schwesterpartei der SPD, befindet sich momentan in einem historischen Umfragetief: Weniger als zehn Prozent werden ihr nur noch zugetraut, nach rund 25 Prozent bei der Parlamentswahl 2012. Noch ist unklar, ob die PvdA sich bis zum Wahltag noch steigern kann.
Undankbare Rolle des Juniorpartners
Warum sind die Wahlaussichten der niederländischen Sozialdemokratie so schlecht? Die PvdA scheint das Opfer einer Kombination von zwei Effekten zu sein: der Frustration über ihre Beteiligung an einer großen Koalition sowie der Frustration über die niederländische Agenda 2010. Wie die SPD war die PvdA die letzten Jahren Juniorpartner in einer großen Koalition mit dem politischen Gegner, der konservativ-liberalen VVD. Das macht die Sozialdemokraten ziemlich unpopulär bei den eigenen Stammwählern.
Dazu kommt die Erfahrung, dass der Juniorpartner in einer großen Koalition einen hohen Preis zahlt für die Regierungsbildung. So ging es bereits der FDP in Deutschland und den Liberaldemokraten in Großbritannien.
Hartes Sparpaket der Regierung
Am verheerendsten für die niederländischen Sozialdemokraten wirkte sich die Reform- und Austeritätspolitik der Regierung aus. Wegen der Eurokrise setzte sie ein hartes Sparpaket im Sozialbereich durch: Gesundheitsreform, Rentenreform, Hypothekenreform. Vor allem diese Maßnahmen haben die PvdA viel politische Glaubwürdigkeit gekostet. „Banken gerettet, aber kranke Rentner vernachlässigst“, so lautet die Kritik.
Als Reaktion organisierten die Sozialdemokraten ein Parteireferendum. Die Parteimitglieder konnten über die Parteiführung abstimmen. Parteichef Diederik Samsom, zugleich Vorsitzender der Parlamentsfraktion, wurde ersetzt von Lodewijk Asscher, dem Vizepremier im Kabinett. Er ist also kein Politiker von außen, der frischen Wind bringt und mit Selbstkritik operieren kann, wie jetzt in Deutschland Martin Schulz. Damit wird es wohl keinen Martin Schulz-Effekt im niederländischen Wahlkampf geben. Vielleicht wird es noch einen Lodewijk-Asscher-Effekt geben. Ausschließen kann man das nicht.
Geert Wilders nur auf Platz zwei?
Und doch gibt es eine relativ gute Nachricht: Es sieht gerade so aus, als ob Geert Wilders‘ Freiheitspartei (PVV) sehr wahrscheinlich nicht die größte Partei der Niederlande sein wird. In letzten Umfragen wird die PVV überholt von der VVD, der Partei von Premier Mark Rutte.
Das ist ein bekanntes Muster in den Niederlanden: Je näher der Wahltag rückt, desto schlechter schneiden die Rechtspopulisten ab. Viele Niederländer möchten dem Establishment nur einen „Stinkefinger“ zeigen, ein Alarmsignal gegen die etablierten Parteien und Medien setzen, aber sie glauben nicht, wie die Umfragen zeigen, dass Geert Wilders eine Regierung führen kann. Allerdings: Wie sehr kann man nach dem „Brexit“ und dem Trump-Sieg Prognosen noch trauen?
Sorge vor rechter Kettenreaktion
Dennoch glaube ich, dass den Niederlanden die Nationalschande erspart bleibt, dass die aggressive, die Gesellschaft spaltende und den Rechtstaat unterminierende PVV die Wahl gewinnt. Damit würde die rechte Kettereaktion, die zurzeit so viele ausländische Journalisten in die Niederlande führt – Brexit, Trump, Wilders, Le Pen, AfD – schon bei der niederländischen Wahl am 15. März unterbrochen.