Terror trifft Türkei und Deutschland
Sie demonstrierten gemeinsame Trauer, als am heutigen Mittwochnachmittag der türkische Premier Ahmet Davutoğlu zusammen mit dem deutschen Innenminister Thomas De Maizière am Anschlagsort in der Istanbuler Altstadt Sultanahmet Blumen niederlegten. Gestern morgen starben dort zehn deutsche, ein peruanischer und ein norwegischer Tourist, nachdem sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hatte.
Rache an Anti-IS-Koalition?
Der Täter soll unterschiedlichen Angaben zufolge ein 28-jähriger Syrer oder Saudi-Araber sein, der 1988 in Saudi-Arabien geboren wurden. Vor einigen Tagen sei er aus Syrien in die Türkei eingereist. Er habe laut türkischem Innenminister Efkan Ala nicht auf der Liste mutmaßlicher IS-Mitglieder gestanden, auch hat sich bisher keine Terrororganisation zu der Tat bekannt. Trotzdem geht Ankara davon aus, dass es sich um einen Anschlag des Islamischen Staates handele.
Das würde ins Bild passen. Denn sowohl Deutschland als auch die Türkei unterstützen die US-angeführte Anti-IS-Koalition militärisch. Der türkische Militärflughafen Incirlik wird für Luftschlage gegen den IS in Syrien genutzt und seit Freitag sind dafür auch zwei „Tornado“-Jets der deutschen Bundeswehr im Einsatz. Nach dem Anschlag wird das in Deutschland erneut die Frage aufwerfen, wie gefährlich es ist, sich an der Anti-IS-Koalition militärisch zu beteiligen – was ohnehin schon umstritten ist.
Terrorbedrohung gleicht „tickende Zeitbombe“
Auch in der Türkei wird das schon seit Monaten diskutiert. Lange hielt sich Ankara mit ihrer Unterstützung der Koalition zurück und konzentrierte sich mehr auf den Kampf gegen die PKK. Doch spätestens seit den Terror-Attentaten von Ankara und Suruç im letzten Jahr ist deutlich, dass es in der Türkei ein weitverzweigtes IS-Netzwerk gibt, zu dem sowohl türkische als auch ausländische Anhänger gehören. Die Behörden haben davor zu lange die Augen verschlossen, beklagen oppositionelle Medien. Wer aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien in die Türkei einreiste, wurde in den ersten Jahren des Krieges nur sporadisch dokumentiert. Extremisten konnten auf diese Weise wohl ihren Nachschub an Munition und Kämpfern über die Türkei organisieren und Schläferzellen im Land aufbauen.
Doch die türkische Regierung will mittlerweile zeigen, dass sie ihr Vorgehen gegen den IS verschärft hat. In den letzten Monaten seien 3318 Personen im Zusammenhang mit dem Islamischen Staat und anderen radikalen Organisationen in der Türkei festgenommen worden, erklärte heute Innenminister Ala. Leicht dürfte es an diesem Punkt aber nicht werden, der Lage Herr zu werden – die konservative türkische Tageszeitung Hürriyet nannte die Terrorbedrohung eine „tickende Zeitbombe“.
Wird Freiheit den Terror besiegen?
Einen hohen Preis für den Terror müssen beide Länder tragen. Die türkische Tourismusbranche, die durch die russischen Sanktionen der letzten Wochen bereits hart getroffen wurde, dürfte jetzt noch düsterer in die neue Saison blicken. Schließlich fand das Attentat im Herzen Istanbuls statt, direkt vor der berühmten Blauen Moschee und neben der Hagia Sofia – Monumente, denen eigentlich jeder Istanbul-Tourist einen Besuch abstattet. Doch viele Touristen packen nach dem Attentat bereits ihre Koffer, deutsche Reiseveranstalter bieten kostenlose Umbuchungen an.
„Wir werden uns von Mord und Gewalt nicht einschüchtern lassen", betonte hingegen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel erklärte: „Die Terroristen sind Feinde aller freien Menschen. Das Ziel der Terroristen ist unser freies Leben." Doch die Freiheit werde den Terror besiegen, so Merkel.
Ähnliche Worte äußerten europäische Politiker bereits nach den Paris-Attentaten im November. Die Gefahr scheint noch lange nicht gebannt, die internationale Atmosphäre der Angst dauert an - und ist zur stärksten Waffe der Terroristen geworden.
arbeitet als Journalistin für TV, Print, Online und Radio. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf den Themen Gesellschaft und Politik, Kultur, Migration und Bildung. Sie lebt in Istanbul.