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Stoltenberg: Russland muss seinen Kurs ändern

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kritisiert die Politik Moskaus in der Ukraine. Im vorwärts-Interview fordert er Russland auf, „seinen Kurs zu ändern, seine internationalen Verpflichtungen zu achten, seine Unterstützung für die Separatisten einzustellen und zu einer friedlichen Lösung im Einklang mit den Minsker Vereinbarungen beizutragen“.
von Lars Haferkamp · 9. Februar 2015
Nato-Generalsekretär Stoltenberg verurteilt den russischen Angriff auf die Ukraine als "unrechtmäßig und unzulässig".
Nato-Generalsekretär Stoltenberg verurteilt den russischen Angriff auf die Ukraine als "unrechtmäßig und unzulässig".

Herr Generalsekretär, was würden Sie als Sozialdemokrat, der den Vorsitz der Allianz in einer sehr schwierigen Zeit inne hat, anders machen, auch in Bezug auf Moskau?

Die NATO wird immer ihre Bündnispartner verteidigen, unsere Werte schützen und unsere Freunde unterstützen.  Das ist die richtige Handlungsweise, unabhängig von der eigenen politischen Herkunft.

Die Lage in der Ostukraine entwickelt sich in die falsche Richtung.  Unmittelbare Priorität hat die Beendigung der Kämpfe, und ich begrüße die unermüdlichen Bemühungen Deutschlands, eine politische Lösung zu finden.  Die Ukraine ist eine souveränes Land, mit einem demokratisch gewählten Präsidenten und einem demokratisch gewählten Parlament.  Ihre Menschen haben das Recht, in Frieden zu leben, wie wir alle anderen auch.  Und wir müssen sie unterstützen, dies zu erreichen.

Wir müssen auch für unsere Werte einstehen. Ich erinnere daran, dass mit der Annexion der Krim durch Russland zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg ein europäisches Land nach dem Gebiet eines anderen Landes greift. Das ist unrechtmäßig und unzulässig, und es untergräbt die Grundprinzipien, auf denen die europäische Sicherheit basiert. Außerdem setzt Russland die Destabilisierung der Ukraine fort, indem es weiterhin Unterstützung, Ausbildung, Ausrüstungen und Kräfte an gewalttätige Separatisten liefert.   

Daher fordern wir Russland weiterhin auf, seinen Kurs zu ändern, seine internationalen Verpflichtungen zu achten, seine Unterstützung für die Separatisten einzustellen und zu einer friedlichen Lösung im Einklang mit den Minsker Vereinbarungen beizutragen.  

In den letzten beiden Jahrzehnten unternahm die NATO beträchtliche und ernsthafte Bemühungen, um eine strategische Partnerschaft mit Russland aufzubauen. Unser Ziel war immer die Einbeziehung und nicht die Isolierung Russlands. Ich glaube fest daran, dass Russland mit der Zeit erkennen wird, dass es keine Zukunft in Konfrontation gibt und dass Russland auf den Weg der Achtung, des Vertrauens und der Kooperation zurückkehren wird. Eine starke NATO ist und bleibt jedoch die Voraussetzung für ein Engagement mit Russland.  

Inmitten des Kalten Krieges führte Willy Brandts Ostpolitik zu Entspannung in Europa. Im Hinblick auf den Konflikt in der Ostukraine wird der Ruf nach einer neuen Ost- und Entspannungspolitik lauter. Sehen Sie in der näheren Zukunft eine Chance für die Entspannung mit Russland? Und welche Schritte müssen unternommen werden?

Willy Brandt war immer eine Quelle der Inspiration für mich persönlich und für die norwegischen Sozialdemokraten im Allgemeinen.  Seine Ostpolitik beruhte auf einer starken Verteidigung in Kombination mit aktivem Dialog. Heute ist die Lage zwar eine ganz andere, aber ich denke, dass die gleichen Prinzipien nach wie vor gültig sind.

Aufgrund der veränderten Sicherheitslage sowohl im Osten als auch im Süden arbeitet die NATO zurzeit an der bedeutendsten Stärkung unserer kollektiven Verteidigung seit dem Kalten Krieg. Dabei geht es um NATO-Kräfte, die NATO-Gebiet schützen. Alles was wir tun ist defensiv, angemessen und steht im Einklang mit unseren internationalen Pflichten.   

Wir haben auch die Kanäle des diplomatischen Dialogs mit Russland offen gehalten, während wir gleichzeitig jede praktische Zusammenarbeit aufgrund des aggressiven Vorgehens Moskaus in der Ukraine eingestellt haben. Deshalb habe ich mich mit Minister Lawrow am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz diese Woche getroffen. Unsere Einschätzungen zur Lage in der Ukraine sind weiterhin sehr unterschiedlich, aber besonders in schwierigen Zeit ist es wichtig, dass wir die Kanäle des Dialogs offen halten.

Kiew erwägt, der NATO beizutreten. Wenn die Ukraine ein Mitglied der NATO wird, würde das zu mehr oder weniger Sicherheit in Europa führen?

Jedes Land hat das Recht, seinen eigenen Weg zu wählen.  Das ist ein Grundprinzip, das wir alle unterzeichnet haben, einschließlich Russland.  

Die Ukraine selbst hat klargemacht, dass der Reformprozess sicherlich Zeit brauchen wird. Ob und wann die Ukraine ein Mitglied der NATO wird, ist eine Frage, die von der Ukraine und von den 28 Verbündeten der NATO und von niemand anderem entschieden wird.

Die Tür der NATO bleibt allen europäischen Demokratien offen, die die Werte des Bündnisses teilen, die bereit und in der Lage sind, die Verantwortungen und Pflichten einer Mitgliedschaft zu übernehmen und zur europäisch-atlantischen Sicherheit beizutragen.  Jedes Land, das einen Antrag auf NATO-Mitgliedschaft stellt, wird von allen 28 Bündnispartnern nach diesen Kriterien bewertet werden.

Autor*in
Lars Haferkamp
Lars Haferkamp

ist Chef vom Dienst und Textchef des vorwärts.

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