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Steinmeier: Deshalb ist Krisenprävention ein Markenzeichen der SPD

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die Bedeutung der zivilen Krisenprävention in der deutschen Außenpolitik betont. Auf einer Konferenz der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin nannte er sie am Donnerstag ein „Markenzeichen sozialdemokratischer Außenpolitik“. Er sprach auch von Rückschlägen und Enttäuschungen.
von Lars Haferkamp · 21. Oktober 2016
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Frank-Walter Steinmeier erinnerte am Donnerstag in Berlin an Willy Brandt, der an diesem Tag vor 45 Jahren den Friedennobelpreis erhalten hatte. Dies nicht nur für seine Ostpolitik sondern auch für seine Nord-Süd-Politik. Willy Brandt habe früher als andere hat er erkannt, wer gewaltsame Konflikte bereits im Vorfeld ihres Entstehens verhindern wolle, müsse dafür sorgen, dass Menschen gleiche Chancen und Lebensperspektiven haben.

Zivile Krisenprävention heißt nicht Pazifismus

Der Außenminister erteilte zugleich einem radikalen Pazifismus eine klare Absage. „Gegen den islamistischen Terror der Schergen des IS müssen wir uns gemeinsam und mit aller Kraft entgegenstellen. Dafür brauchen wir eindeutig auch militärische Mittel.“ Steinmeier machte klar: „Mit Selbstmordkommandos kann man keine Friedensgespräche führen.

Dennoch dürften militärische Mitteln niemals die alleinige Lösung sein. So brauche man „zivile Maßnahmen um die vom IS befreiten Gebiete zu stabilisieren, die Rückkehr der Menschen zu ermöglichen und die Voraussetzung für Aussöhnung zu schaffen“. Im Irak habe man es so geschafft, in den vom IS befreiten Gebieten 185.000 Menschen mit Wasser, Strom und Gesundheitsdienstleistungen zu versorgen. Dadurch seien in die vormals vom IS beherrschte Stadt Tikrit 90 Prozent der Vertriebenen zurückgekehrt. Das zeige: Auch in den brutalsten Konflikten unserer Tage seien zivile Instrumente nötig, um Korridore für Stabilisierung und Aussöhnung zu eröffnen.

Die besondere Rolle Deutschlands

Steinmeier berichtete, er werde von seinen europäischen Außenministerkollegen immer wieder gefragt: Warum legt Ihr als Deutsche so viel Wert auf zivile Elemente der Konfliktbearbeitung? Eine Antwort sei sicherlich der Blick auf die deutsche Geschichte und die besondere Verantwortung, sich für Alternativen zu militärischen Interventionen einzusetzen. Aber, ergänzte Steinmeier, „es gehört auch dazu, dass wir in den letzten zwei Jahrzehnten haben lernen müssen, dass militärische Mittel allein, selbst da, wo sie notwendig sind, nie stabilen Frieden schaffen können“.

Klar sei: „Die effektivste Friedenspolitik ist diejenige, die präventiv wirkt, die Konflikte eindämmt, bevor sie ausbrechen und zu militärischen Auseinandersetzungen ausarten.“ Seit dem Aktionsplan der rot-grünen Bundesregierung von 2004 sei dieser „Ansatz zu einem Markenzeichen deutscher Außenpolitik ausgebaut“ worden.

Politische Vermittlung ist „Königsdisziplin“

Die politische Vermittlung, die nach politischen Wegen aus einer akuten Krisen sucht, nannte der Außenminister die „Königdisziplin“ seines Engagements. In so verfahrenen Konfliktsituationen wie etwa in Syrien müsse man nach der großen politischen Lösung suche, dürfe aber auch eine B- oder C-Lösung nicht aus den Augen verlieren. In jedem Fall gelte es, menschliche Not schnell zu lindern.

Steinmeier räumte ein, dass Krisenprävention in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich weniger auffalle, als die Arbeit an akuten Brandherden. Deshalb sei die Arbeit, wie etwa in Nepal, Jordanien, Äthiopien, Sudan oder Georgien, nicht weniger wichtig.

Strategische Vorausschau verbessern

Das Auswärtige Amt werde nun auch Länder und Regionen mit erhöhtem Eskalationsrisiko genauer unter die Lupe nehmen. „Wir wollen durch strategische Vorausschau besser und schneller erkennen, wo sich Krisen zusammenbrauen“, so Steinmeier. Politisch bedeutet dies, nicht nur früh erkennen, sondern auch früh handeln.

Der Außenminister kündigte darüber hinaus an, das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) zu einer umfassenden Entsendeorganisation auszubauen. Das zivile Personal müsse nicht nur hervorragend geschult sein, es verdiene für den oftmals gefährlichen Einsatz volle Rückendeckung – auch bei der Versorgung nach dem Einsatz. Das werde die Bundesregierung mit dem Entsendegesetz gewährleisten, das noch in diesem Jahre in das parlamentarische Verfahren gebracht werden solle.

Langwierig, mühsam, ohnmächtig

Zivile Präventions- und Friedensarbeit sei „immer langwierig, oft mühsam und manchmal auch schlicht ohnmächtig“, so Steinmeier. So habe das Engagement in Jemen die grausame Eskalation des Konflikts nicht verhindern können. „Aber wir haben zumindest die Hoffnung, dass wir auf diese belastbaren Kontakte zurückgreifen können, wenn eine Friedenslösung für Jemen näher rückt.“

Das Engagement in Krisen nannte der Außenminister ein „Hochrisikoinvestment“. Es gelte, ehrlich zu erkennen, wo ein Projekt nicht so gelungen sei, wie es geplant war. Und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. „Deshalb werden wir uns im Auswärtigen Amt verstärkt einer kritischen Überprüfung unserer Projekte stellen“, so Steinmeier.

Neue Leitlinien im Kabinett

Er kündigte an, im kommenden Jahr werde das Kabinett „neue Leitlinien für Krisenengagement und Friedensförderung“ verabschieden. „Zwölf Jahre nach dem Aktionsplan geben wir uns damit einen neuen langfristigen friedenspolitischen Referenzrahmen.“

Autor*in
Lars Haferkamp
Lars Haferkamp

ist Chef vom Dienst und Textchef des vorwärts.

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