International

Stegner: Deutsche Hilfe ja, deutsche Waffen nein

von Ralf Stegner · 21. August 2014
placeholder

Ralf Stegner, der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende, hält deutsche Waffenlieferungen in den Nordirak für eine Fehlentscheidung. Hier begründet er seine Sicht:

Die Bilder, die wir seit Wochen aus dem Nordirak sehen, sind schockierend: Wenn Menschen auf brutale Weise verfolgt und ermordet werden, kann uns das nicht unberührt lassen. Vor dem Hintergrund dieser Situation hat die Bundesregierung entschieden, Waffen an die Kurden im Nordirak zu liefern, um den von den IS-Milizen verfolgten Menschen militärische Nothilfe zu leisten.

USA sollten militärische Hilfe übernehmen

Wir stehen hier vor einem Dilemma: Natürlich müssen wir den Verfolgten und Opfern der Terrormilizen des Islamistischen Staates helfen, da gibt es keine Alternative. Auf der anderen Seite aber können Waffenlieferungen gefährliche Folgen haben, die uns noch lange beschäftigen werden. Ich persönlich komme daher zu der Einschätzung: Die Risiken überwiegen. Am Ende wird man eine mögliche Fehlentscheidung womöglich teuer bezahlen müssen. Es ist gut und richtig, dass Deutschland bislang alles tut, was es im Bereich humanitärer Hilfe leisten kann. Trotzdem meine ich: Die militärische Hilfe sollten vor allem die Amerikaner übernehmen, die mit dem Irak-Krieg eine besondere Verantwortung für die Krise haben. Damals ließ die Bush-Administration all die Strukturen im Irak zerstören, die jetzt fehlen, um den IS-Terrormilizen Einhalt zu gebieten. Die Bundesregierung hat jetzt aber nicht wochenlang Zeit für diese Entscheidung. Ich respektiere das, komme aber selbst zu einer anderen Schlussfolgerung.

Keine Waffen in Krisengebiete

Denn wer Waffen liefert, weiß nie, gegen wen diese später einmal gerichtet werden. Werden sie zum Beispiel im Kampf für einen unabhängigen kurdischen Staat benutzt werden? Und was bedeutet das für den irakischen Zentralstaat oder die Türkei? Auch gibt es Experten, die sagen, dass die kurdischen Kämpfer deutsche Waffen gar nicht einsetzen könnten und erst daran ausgebildet werden müssten. Unabhängig davon unterstütze ich Sigmar Gabriel, wenn er sagt, dass grundsätzlich keine Waffen in Krisengebiete und Diktaturen geliefert werden dürfen. Deutschland sollte eher weniger Rüstungsgüter exportieren – stattdessen sollten wir mehr in der Entwicklungszusammenarbeit tun.

Nicht über militärische Tabubrüche reden

Wenn jetzt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen fordert, Tabus in der Außen- und Sicherheitspolitik zu brechen, sage ich deutlich: Das ist ein Kurs, der mit der SPD nicht zu machen ist. Welche Tabus sollen wir denn bitte brechen? Wir wollen keine stärkere Militärlogik. Die Verantwortung der Verteidigungsministerin besteht nicht darin, sich persönlich zu profilieren. Ja, Deutschland kann in der Welt eine größere Rolle spielen: Am besten wie Frank-Walter Steinmeier, der unermüdlich diplomatisch für Frieden und Entspannung arbeitet. Hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs und 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs sollten wir wirklich nicht über militärische Tabubrüche reden. Willy Brandt hat gesagt: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. Die SPD ist eine Friedenspartei. Das bedeutet aber nicht, dass wir radikalpazifistische Auffassungen vertreten. Deutschland verdankt Frieden und Freiheit dem militärischen Einsatz der alliierten Streitkräfte. Heute sollten solche Fragen die UN entscheiden. Dabei ist es klug, den Bundestag so umfassend wie möglich einzubinden.

Autor*in
Ralf Stegner
Ralf Stegner

ist Vorsitzender des Afghanistan-Untersuchungsausschusses im Bundestag.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare