Ständige Nato-Präsenz in Osteuropa?
Das hört sich einfach an, wird aber schwierig zu erreichen sein. In den Außenministerien der Länder des Weimarer Dreiecks, Frankreich, Polen und Deutschland, wird an Vorschlägen und Wegen gearbeitet, wie diese beiden Ziele erreicht werden könnten. Es muss eine politische Lösung geben, mit der der russische Präsident leben und sein Gesicht wahren kann. Vor allem die deutsche und die französische Regierung sind sich darin sehr einig.
London für mehr Sanktionen gegen Russland
Die britische Regierung ist skeptischer, was den Waffenstillstand angeht und befürwortet härtere Sanktionen gegen Russland. Das ist, so London, deshalb nötig, weil die Russen die nach Süden vordringenden Separatisten weiterhin massiv unterstützen, um damit Fakten zu schaffen. Erst nach einem belastbaren Waffenstillstand könnten einige dieser Sanktionen nach und nach wieder zurückgenommen werden.
Viel hängt einerseits von weiteren Gesprächen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ab: Dort werden weiterhin Russen, Ukrainer, Separatisten und OSZE-Vertreter versuchen, den Waffenstillstand belastbar zu machen. Zu welchen Bedingungen das geschehen kann, ist ungewiss. Vor allem weil die von Russland unterstützten Separatisten nach den Minsker Gesprächen am Freitag vergangener Woche für die östliche Ukraine einen Autonomiestatus erreichen wollen.
Der 12-Punkte-Plan von Minsk
Davon allerdings war in Minsk keine Rede. Der dort ausgehandelte Plan besteht aus 12 Punkten. Die Macht in der Ukraine soll dezentralisiert werden. Die Regionen von Luhansk und Donezk erhalten eine autonome Übergangsregierung. Kommunalwahlen werden abgehalten. Ein Wiederaufbauprogramm wird ausgelegt. Zur russischen Grenze hin soll es eine Sicherheitszone geben. Die illegal bewaffneten Gruppierungen müssen verschwinden. Allen an den Kämpfen Beteiligten wird Straffreiheit zugesichert. Ein Autonomiestatus für die Ostukraine wird nicht erwähnt.
Den will der ukrainische Präsident Petro Poroschenko natürlich auch nicht. Er kann ihn nicht wollen, auch weil er in Kiew unter erheblichen politischen Druck geraten ist. Zumal sich in den vergangenen Tagen herausgestellt hat, dass die ukrainisch-russische Grenze weiter offen ist, die Separatisten nicht abziehen sowie nach wie vor hin und wieder geschossen wird. Die Versorgungshilfe für die Menschen in den Kriegsgebieten läuft schleppend an. Das gilt auch für den in Minsk vereinbarten Gefangenenaustausch. Poroschenko wollte das Kämpfen beenden.
Poroschenko unter Druck
Für seine politischen Gegner hat er kapituliert. Der Präsident habe zu große Zugeständnisse an Wladimir Putin gemacht, heißt es in Kiew, weil die von der russischen Regierung gut ausgerüsteten und massiv verstärkten Kämpfer in der vergangenen Woche große Bodengewinne gemacht und die Einheiten der ukrainischen Armee zum Rückzug gezwungen haben.
Eine Kapitulation ist es auch für die Kommandeure der Freiwilligenbataillone Aydar und Dnipro 4, Igor Lapin und Wolodimir Parasijuk: Poroschenko habe „die Söhne der Ukraine“ verheizt und benutzt. Die Soldaten seien schlecht ausgebildet und einer korrupten Militärführung überlassen worden, die sie in „ein Stahlgewitter“ gejagt hätten, sagten die Männer im Kiewer Fernsehen und ernteten dafür viel Beifall. Selbst Ministerpräsident Jewgenij Jazenjuk fand deutliche Worte: „Wladimir Putin hat in der Ukraine ein blutiges Bankett veranstaltet. Es werde sich zeigen, ob die schlimme Situation im Osten seines Landes in irgendeiner Form überwunden werden könne.“
Damit wäre einiges erreicht, jedoch ist die Haltung in den wichtigen Hauptstädten der Nato zurückhaltend. Dort will man von der russischen Seite und den Separatisten Taten sehen und nicht nur Worte hören. Eben darum ging es auf dem Nato-Gipfel in Wales: „Wir müssen unsere Truppen nutzen, um eine beständige Präsenz in Osteuropa zu gewährleisten,“ hatten der US-Präsident und der britische Premierminister in der Zeitung „The Times“ zu „einiger Überraschung“ der Regierung in Paris, Italien und Deutschland geschrieben. Zur großen Freude allerdings auch der Regierungen in Stockholm, Helsinki, Tallinn, Riga, Vilnius und Warschau und zur großen Verärgerung der in Moskau.
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).