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Staatlich gestützten Steuerbetrug unterbinden

28.000 Seiten an geheimen Papieren. Ein Stapel, der bis zur Decke reicht, und ein Ergebnis, das zum Himmel stinkt: Die Luxemburg-Enthüllungen decken auf, dass sich 343 Unternehmen ihre Steuern so klein gerechnet haben, dass sie kaum noch erkennbar sind. Berater kassieren ordentlich Gebühren und Politiker sind sich keiner Schuld bewusst.
von Thorsten Schäfer-Gümbel · 13. November 2014
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Einige Beispiele: IKEA in Australien zahlte in den letzten Jahren nur circa 0,65 Prozent des Umsatzes an Steuern – bei satten Gewinnen. In Irland wird in einer Briefkastenfirma über eine Milliarde Euro an Kapital angelegt, um die Vermögenssteuer in Höhe von nur 0,5 Prozent zu umgehen. Und die Deutsche Bank schuf Briefkastenfirmen in Luxemburg als Steuersparkonstruktionen. Manche reden zwar von „Steuertricks“ – aber im Kern geht es um harten Betrug an der Gesellschaft. Es kann nicht sein, dass ein Bäckermeister oder ein Mittelständler ordentlich Steuern zahlt, sich die großen Konzerne aber schön aus der Verantwortung ziehen und weniger als ein Prozent ihrer Gewinne abführen.

Den unfairen Steuerwettbewerb in Europa beenden

Das Problem findet sich nicht nur in Luxemburg, sondern auch in den Niederlanden, auf Zypern und weiteren Ländern. Die Lösung liegt auf der Hand: Wir müssen den unfairen Steuerwettbewerb in Europa beenden. Wer hier Gewinne erwirtschaftet, muss auch hier Steuern zahlen. Wir müssen deshalb wissen, wo wie viel erwirtschaftet und was am Ende wie hoch besteuert wird. Dafür brauchen wir einen Mindeststeuersatz für Unternehmen in Europa! Seit Jahren arbeiten wir daran – leider sind wir noch nicht erfolgreich genug mit der Durchsetzung. Wir scheitern an Mehrheitsverhältnissen und einer konservativen Blockadepolitik.

Der Kampf gegen Steuerdumping muss eines der zentralen Projekte der EU werden! Dies kann nur durch eine starke EU-Kommission vorangebracht werden. Ihr Präsident Juncker hat sich zu lange versteckt. Nun erklärt er sich, der langjährige Premier und Finanzminister Luxemburgs, und ist sich keiner Schuld bewusst. Dies ist nicht das Signal, was wir nun dringend brauchen! Wir haben bereits wichtige Erfolge gegen die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung erzielt. Der automatische Informationsaustausch, der im Oktober beschlossen wurde, ist hierfür ein wichtiger Erfolg.

Konzerne sollten ihre Steuermodelle transparent machen

Jetzt müssen wir die ungerechtfertigte Verlagerung von Gewinnen der Konzerne in Niedrigsteuerländer mit Hilfe findiger Berater unterbinden. Die Konzerne sollten ihre Steuermodelle transparent machen und sie erst durch die Finanzbehörden genehmigen lassen, bevor sie zur Anwendung kommen. Luxemburg hat dies gemacht – die anderen EU-Länder wussten davon allerdings nichts. Transparenz ist daher dringend von Nöten. Juncker hat am gestrigen Mittwoch plötzlich diese Transparenz eingefordert. Hier muss er sich nun beweisen, ob er seiner neuen Rolle als Kommissionspräsident gerecht wird.

Mit dem so genannten „Base Erosion and Profit Shifting-Aktionsplan“ wurden erste wichtige Schritte beschlossen, um der Gewinnverlagerung von Unternehmen etwas entgegenzusetzen. Diese Schritte sollten dringendst umgesetzt werden. Das Ganze ist auch ein wichtiges Thema für den aktuellen G20-Gipfel in Australien, der am Samstag beginnt. Schon bei der Finanzmarktregulierung folgte auf harte Worte nur heiße Luft. Nach Ausbruch der Krise 2008 ließ die G20 verlauten: „Jeder Akteur soll kontrolliert werden, jedes Produkt, jeder Marktplatz!“ Doch bisher ist zu wenig passiert.

Zeit für Reformen

Die Finanzlobby hat ganze Arbeit geleistet. Das darf bei der Steuergerechtigkeit nicht passieren! Konservative und liberale Regierungen hinken den Entwicklungen meilenweit hinterher. Es wird Zeit, dass diese Taktik den Steuerbetrügern und Finanzzockern auf die eigenen Füße fällt. Deshalb müssen aus Brisbane mehr als nur wolkige Statements kommen. Es ist höchste Zeit für echte Reformen – hin zu mehr Steuergerechtigkeit, hin zu mehr Verantwortung.

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Thorsten Schäfer-Gümbel

ist stellvertretender SPD-Vorsitzender sowie Fraktions- und Landesvorsitzender der SPD in Hessen. Er ist Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie.

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