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Spionageangriff: Auswärtiges Amt bestellt Russlands Botschafter ein

Erst harte Kritik Merkels im Bundestag, jetzt ein scharfer Protest des Auswärtigen Amtes und neue Sanktionen der EU gegen Moskau: Nach dem russischen Spionageangriff reagiert Berlin deutlich. Richtig so, heißt es aus der SPD-Bundestagsfraktion.
von Lars Haferkamp · 28. Mai 2020
Das Auswärtige Amt in Berlin: Hier wurde Russlands Botschafter mitgeteilt, dass die Bundesregierung gegen den russischen Spionageangriff auf den Bundestag „auf das Schärfste“ protestiert.
Das Auswärtige Amt in Berlin: Hier wurde Russlands Botschafter mitgeteilt, dass die Bundesregierung gegen den russischen Spionageangriff auf den Bundestag „auf das Schärfste“ protestiert.

Der Streit zwischen Deutschland und Russland um den Hackerangriff auf den Bundestag eskaliert. Das Auswärtige Amt in Berlin hat am Donnerstag den russischen Botschafter einbestellt. Dabei verurteilte der zuständige Staatssekretär „den Hackerangriff auf den Deutschen Bundestag auf das Schärfste“, so die offizielle Mitteilung des Auswärtigen Amtes.

Berlin will EU-Sanktionen gegen Moskau

Darüber hinaus wurde dem russischen Botschafter mitgeteilt, dass sich die Bundesregierung in Brüssel für Sanktionen der EU gegen Verantwortliche für den Cyberangriff einsetzen wird. Der Generalbundesanwalt hatte bereits im Mai einen Haftbefehl gegen einen russischen Spion ausgestellt.

Verschärft wird die Lage dadurch, dass den Angriff auf den Bundestag vor fünf Jahren nicht der erste russische Spionageskandal in der Bundeshauptstadt ist. Darauf verweist das Auswärtige Amt ausdrücklich: „Die Bundesregierung bewertet diesen Vorgang auch vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlung im sogenannten Tiergarten-Mordfall und behält sich weitere Maßnahmen ausdrücklich vor.“ Im Tiergarten in Berlin wurde im vergangenen Jahr ein tschetschenischer Asylbewerber durch russische Auftragsmörder am hellichten Tag erschossen.

Nils Schmid fordert Konsequenzen für den Kreml

Unterstützung bekommt das Auswärtige Amt in der Auseinandersetzung mit Russland aus dem Bundestag. „Es ist gut, dass die Bundesregierung heute gegenüber dem russischen Botschafter den Hackerangriff auf den Bundestag auf das Schärfste verurteilt hat“, sagt Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Dieser schwerwiegende Angriff auf das Herz unserer parlamentarischen Demokratie kann nicht folgenlos bleiben.“ Dass Deutschland erstmals EU-Sanktionen gegen Russland durch das EU-Cybersanktionsregime beantrage, „ist ein wichtiges Signal, dass sich gegen die Verantwortlichen für den Hackerangriff richtet und deutlich macht, dass solche Cyberattacken nicht folgenlos bleiben können“, betont Schmid.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Abgeordnetenbüro auch Opfer des russischen Cyberangriff geworden war, hatte erst Mitte Mai im Bundestag harte Kritik an Moskau geübt. Entgegen ihrer sonst üblichen zurückhaltenden Wortwahl, nannte Merkel die Hacker-Attacke „ungeheuerlich“. Zum Spionageangriff Russlands sagte Merkel bei der Regierungsbefragung im Bundestag: „Ich nehme das sehr ernst.“ Es war einer der wenigen Fälle, in denen sie öffentlich über ihre persönliche Gefühlslage sprach: „Ich darf sehr ehrlich sagen: Mich schmerzt es. Auf der einen Seite bemühe ich mich tagtäglich um ein besseres Verhältnis zu Russland. Wenn man auf der anderen Seite sieht, dass es harte Evidenzen dazu gibt, dass da auch russische Kräfte daran sind, so vorzugehen, dann ist das schon ein Spannungsfeld, das auch ich nicht ganz aus meinem Inneren streichen kann. Das ist unangenehm.“

Russland wirft Berlin „Megafon-Diplomatie“ vor

Nach diesen ungewohnt klaren Äußerungen Merkels warf Russland der Kanzlerin am Mittwoch „Megafon-Diplomatie“ vor. Die deutschen Vorwürfe seien eine „abgedroschene Geschichte“, die Kritik am russischen Hacker-Angriff ein „Ablenkungsmanöver“. Angesichts der Probleme Deutschlands in der Corona-Krise „hielt es jemand für angebracht, einen weiteren ‘Nachweis‘ der russischen Bedrohung zu offenbaren“, so die Erklärung der russischen Botschaft.

Wie belastet die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau sind, zeigen Äußerungen der Kanzlerin am Mittwochabend bei einer Online-Diskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung. Hier kritisierte sie Russland scharf und warf dem Kreml vor, menschenrechtliche Konventionen und Regeln immer wieder zu verletzen. „Russland hat in seiner unmittelbaren Nachbarschaft einen Gürtel ungelöster Konflikte geschaffen und die ukrainische Halbinsel Krim völkerrechtswidrig annektiert“, so Merkel. Darüber hinaus unterstütze der Kreml „Marionettenregime in Teilen der Ost-Ukraine und greift westliche Demokratien mit hybriden Mitteln an, darunter auch Deutschland.“ Ganz ohne Zweifel „wird Russland uns während der EU-Ratspräsidentschaft weiter beschäftigen“, kündigte die Kanzlerin an.

Autor*in
Lars Haferkamp
Lars Haferkamp

ist Chef vom Dienst und Textchef des vorwärts.

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