SPD-Kanzlerkandidat: Wie Olaf Scholz die EU verändern möchte
Maurice Weiss/Ostkreuz
Vor einem Jahr war die Europäische Union schon tot. Zumindest, wenn man den Kommentaren aus dieser Zeit Glauben geschenkt hätte. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und der zunehmen Anzahl von Geflüchteten 2015 war es nun die Corona-Pandemie, die die Staatengemeinschaft endgültig auseinandertreiben und scheitern lassen würde, so die Kommentare.
Scholz: Die EU will besser werden
Daran erinnert Olaf Scholz, der "Europa" zu einem seiner Hauptwahlkampfthemen gemacht hat, in seiner Rede bei der Konferenz der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) in Berlin. „Es ist anders gelaufen“, betont er. Dass er als Bundesfinanzminister einen großen Anteil daran hatte, haben zuvor schon andere hervorgehoben. Portugals Ministerpräsident Antonio Costa etwa oder EU-Kommissar Frans Timmermans. „Den europäischen Wiederaufbaufonds hätte es nicht gegeben, wenn Olaf Scholz die anderen Finanzminister nicht überzeugt hätte“, hat Timmermans den SPD-Kanzlerkandidaten gelobt.
Scholz selbst sieht den Fonds, der Investitionen von 750 Milliarden Euro umfasst, als „ersten Schritt“, Europa im Konzert der Weltmächte zu stärken. „Es ist der Wille der Europäischen Union, besser zu werden“, ist Olaf Scholz überzeugt. Der Wiederaufbaufonds zeige das. Dass die EU – im Unterschied zur Finanzkrise 2008 – gemeinsam reagierte, habe nur gelingen können, weil alle Staaten einvernehmlich gehandelt hätten.
Beim Klimawandel geht es auch um Arbeit
„Lasst uns diesen Moment festhalten, aber nicht auf ihm ausruhen“, appelliert Olaf Scholz an die versammelten Regierungschefs Europas. Er könne der „Grundstein für eine bessere EU“ werden. Dazu gehört für den SPD-Kanzlerkandidaten eine fairere Besteuerung statt eines Wettbewerbs der Länder um die niedrigsten Steuersätze. „Ich bin froh, dass dies der Sommer sein könnte, in dem der entscheidende Schritt hin zu einer globalen Mindestbesteuerung gemacht wird“, sagt Scholz.
Ebenso wichtig sei die ökologische Transformation, die mit dem „Green Deal“ von Frans Timmermans bereits begonnen habe und durch den Wiederaufbaufonds nun zusätzlichen Schub erhalte. „Es geht auch um die Zukunft der Arbeit, wenn wir über den Klimawandel sprechen“, betont Olaf Scholz, das Kernthema der Sozialdemokratie. „Wir als Sozialdemokraten sind bestens geeignet, dieses Projekt voranzutreiben.“
Eine europäische Ostpolitik
Dafür sei es entscheidend, sich „nicht hilflos der Globalisierung zu ergeben“, sondern auch außenpolitisch gemeinsam zu handeln. „Wenn wir Frieden und Sicherheit auf dem ganzen Kontinent haben wollen, müssen wir anknüpfen an die Entspannungspolitik von Willy Brandt und Helmut Schmidt der 70er und 80er Jahren“, sagt Scholz. Gemeinsame Sicherheitspolitik verlange nach einer „neuen Ostpolitik“, im Gegensatz zu damals allerdings nicht national, sondern europäisch.
Für all das „müssen wir politisch mutig sein“, hebt Olaf Scholz hervor. Dazu gehöre auch, die Europäische Union weiter zu reformieren, und etwa das geltende Einstimmigkeitsprinzip durch Mehrheitsentscheidungen zu ersetzen, damit nicht einzelne Staaten die anderen ausbremsen. Und es müsse jedes Land stärker „aus einer europäischen Perspektive handeln“, statt zu versuchen, immer nur möglichst viel für das eigene Land herauszuholen. „Ein souveräner Kontinent funktioniert nicht, wenn man ihn nicht als gemeinsame Aufgabe begreift.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.