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SPD-Chef Klingbeil fordert „Position der Stärke“ gegenüber Putin

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil will eine Kurskorrektur der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik: Deutschland müsse fähig sein, sich jederzeit zu verteidigen. Die Abhängigkeiten gegenüber Russland und China müssten deutlich reduziert werden.
von Lars Haferkamp · 21. März 2022
SPD-Chef Lars Klingbeil: „Nur aus einer Position der Stärke können wir die Hand ausstrecken. Nur aus einer Position der Stärke können wir für Frieden und Menschenrechte eintreten.“
SPD-Chef Lars Klingbeil: „Nur aus einer Position der Stärke können wir die Hand ausstrecken. Nur aus einer Position der Stärke können wir für Frieden und Menschenrechte eintreten.“

Nach dem Angriffskrieg des russischen Präsidenten Putin gegen die Ukraine fordert SPD-Chef Lars Klingbeil eine Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik. Anlässlich des 100. Geburtstages von Egon Bahr skizzierte er auf einem Symposium der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin am Freitag vier zentrale Thesen. Seine erste These dabei: „Nur aus einer Position der Stärke können wir die Hand ausstrecken. Nur aus einer Position der Stärke können wir für Frieden und Menschenrechte eintreten.“

Zu Zeiten Willy Brandts habe der Verteidigungshaushalt deutlich über drei Prozent der bundesdeutschen Wirtschaftskraft betragen, so der SPD-Vorsitzende. Die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, den Verteidigungsetat auf zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung anzuheben und ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zu schaffen, sei der richtige Weg.

These 1: Durch eigene Stärke zur Entspannung

Dabei gehe es nicht um eine Militarisierung. Es gehe um eine gute Ausrüstung, „die die Bundeswehr in die Lage versetzt, die Bündnis- und die Landesverteidigung zu gewährleisten“. Klingbeil betont: „Wir müssen jederzeit in der Lage sein, unser Land verteidigen zu können.“

Zugleich stellt er ausdrücklich klar: „Das ist keine Abkehr von sozialdemokratischer Sicherheitspolitik, es ist eine logische Konsequenz und steht in der Kontinuität zu Brandt, Bahr und auch Helmut Schmidt.“ Bei der aktuellen Zeitenwende gehe es um Entspannung und Entwicklungspolitik, um eine Stärkung der Vereinten Nationen und des globalen Rechtes. „Aber das alles erreichen wir – und das ist doch die Erkenntnis dieser Tage – aus einer Position der Stärke und die wollen wir jetzt deutlich angehen.“

These 2: Europa muss souveräner werden

Als zweite These formuliert Klingbeil die Forderung, „Europa muss Geopolitik neu lernen“. Die Mitgliedschaft in der EU „ist unsere Stärke“. Es gehe nun darum, Rüstungsprojekte gemeinsam umzusetzen und die Armeen der EU-Staaten stärker zu integrieren. „Wir müssen außenpolitisch stärker mit einer Stimme sprechen“, so der SPD-Chef weiter. „Europa muss souveräner werden – und das sehr sehr schnell.“ Das transatlantische Verhältnis sei gegenwärtig „so stark wie lange nicht mehr“. Aber niemand wisse, was 2024 bei den nächsten US-Präsidentschaftswahlen passieren werde. „Deswegen ist klar, dass Europa jetzt endlich handeln muss.“

Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine „muss ein Weckruf dafür sein“. Deshalb sei es wichtig, die EU-Beitrittsverhandlungen mit Nord-Mazedonien und Albanien zeitnah zu starten. Zum EU-Beitrittswunsch der Ukraine macht Klingbeil klar: „Auch die Ukraine gehört in die Europäische Union. Das sind Europäer. Und das Signal, das wir senden müssen, ist: Wir wollen euch auch in der Europäischen Union haben.“

These 3: Keine Abhängigkeiten von autoritären Regimen

Lars Klingbeils dritte These lautet: „Wir müssen unsere wirtschaftliche Abhängigkeit von autoritären Staaten drastisch reduzieren.“ Das Konzept „Wandel durch Handel“ sei „gescheitert“. Russland sei in der vergangenen Jahren immer autoritärer geworden, trotz enger wirtschaftlicher Verflechtungen mit Europa. Die Abhängigkeit von autoritären Staaten führe heute zu steigenden Energiepreisen und zu großer Unsicherheit. Energiepolitik sei auch ein Teil von Sicherheitspolitik, betont der SPD-Chef.

Deshalb müsse der Ausbau der Erneuerbaren Energien noch schneller vorangetrieben werden, „damit wir nicht mehr abhängig sind von russischem Gas und russischen Öl“. Es seien auch Konsequenzen nötig für den Umgang mit China: Hier müssten Abhängigkeiten in den Bereichen Technik und Medizin reduziert werden. „Wir wollen nicht abhängig sein von autoritären Regimen“, fasst Klingbeil seine Position zusammen.

These 4: Außenpolitik für alle verständlich

In seiner vierten These fordert er, Deutschlands Außenpolitik dürfe „kein Projekt der politischen Eliten“ sein. Denn die auswärtige Politik beeinflusse das Alltagsleben aller Menschen, etwa bei Preisen im Supermarkt, an der Tankstelle oder beim Heizen. Trotzdem werde Außenpolitik noch viel zu sehr „in exklusiven Kreisen mit exklusiver Sprache“ diskutiert. Die Politik müsse sie stattdessen besser erklären und begründen. Außenpolitik müsse „mitten in der Gesellschaft“ diskutiert werden. „Das ist die große Aufgabe, die wir leisten müssen“, so der SPD-Chef.

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