SPD: Barley und Bullmann fordern höhere Steuern für Internetkonzerne in Europa
Dirk Bleicker
Der Unterschied ist gewaltig. Während das produzierende Gewerbe europaweit 23 Prozent Steuern zahle, seien es bei Unternehmen, die im digitalen Geschäft ihr Geld verdienen, gerade mal neun Prozent. Diese Rechnung macht Pierre Moscovici am Montagvormittag in Willy-Brandt-Haus auf. Der Wirtschafts- und Währungskommissar der Europäischen Union nimmt als Gast am zweiten Tag der SPD-Parteivorstandsklausur teil.
Ein Vorschlag für die Digitalsteuer liegt auf dem Tisch
„Multinationale Konzerne müssen faire Steuern zahlen“, fordert der Franzose vor Beginn der Klausur. Dafür brauche die EU endlich eine Digitalsteuer. Ein Vorschlag dafür „liegt auf dem Tisch“. Bereits vor einem knappen Jahr, im März 2018, hatte Moscovici einen Plan vorgelegt, wie die Geschäfte großer Internetkonzerne künftig besteuert werden könnten. Zurzeit setzen diese in Europa mit Software-Diensten Milliarden um, versteuern die Gewinne aber – wenn überhaupt – woanders.
Zunächst war auch die Bundesregierung den Plänen gegenüber kritisch, weil sie Gegensteuern der USA auf die Auslandsableger deutscher Großkonzerne fürchtete, ließ sich aber von Frankreich zumindest zu einem Kompromiss umstimmen. Bei diesem bremsen allerdings Irland, Dänemark und Schweden. „Wir dürfen nicht zulassen, dass ein Mitgliedstaat alle anderen blockiert“, sagt Pierre Moscovici im Willy-Brandt-Haus und plädiert dafür, Steuerfragen in der EU künftig mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden. Bislang ist die Einstimmigkeit aller Mitglieder erforderlich.
Milliarden Euro am Fiskus vorbei
„Wer in Europa Geld verdient, muss auch einen fairen Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens leisten“, fordert Katarina Barley, die Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl am 26. Mai. Bei dieser Frage gehe es um „Gerechtigkeit und gleiche Chancen für alle“. Dies werde auch die Wahlkampagne der Sozialdemokraten prägen.
„Wir müssen dafür sorgen, dass nicht Milliarden Euro am Fiskus vorbei erwirtschaftet werden“, fordert auch der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament Udo Bullmann. „Das Haus muss wetterfest werden“, sagt er. Daher würden Frage der Steuergerechtigkeit auch eine wichtige Rolle beim Konvent der SPE Ende Februar in Madrid spielen. In der spanischen Hauptstadt wollen die europäischen Sozialdemokraten ihr gemeinsames Programm für die Europawahl beschließen.
Dir Nordirland-Frage entscheidet über Krieg oder Frieden
Thema dürfte dann auch erneut der nahe Brexit sein. Dass es dabei nicht nur um wirtschaftliche Fragen geht, sondern mit Blick auf die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland auch um elementaren Frieden, machte Katarina Barley klar. Bei einem Besuch im Grenzgebiet in der vergangenen Woche hatte sie sich einen Eindruck von der Situation vor Ort verschafft und mit Betroffenen gesprochen.
„Die Menschen machen sich existenzielle Sorgen, dass der Bürgerkrieg wieder aufflammen könnte“, berichtet Barley. Für sie sei deshalb klar, dass „wir keine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland akzeptieren können“. Auch wenn der Brexit bis zur Europawahl bereits vollzogen sein könnte: Den Wahlkampf könnte er dennoch bestimmen. (Steuer)gerechtigkeit und Frieden seien, so betont es Katarina Barley am Montag, „ursozialdemokratische Themen, die keiner so gut kann wie wir“.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.