Sozialistin Anne Hidalgo will Paris grüner machen
Sie ist gebürtige Spanierin und die erste Frau an der Spitze der französischen Hauptstadt. Als Bürgermeisterin kämpft Anne Hidalgo gegen die enorme Luftverschmutzung in Paris. Zur Not lässt sie die Bürger gratis U-Bahn fahren.
Mit Klaus Wowereit hat sie einst in Warschau die "Ode an die Freude" auf Polnisch gesungen, so etwas verbindet. Ende Juni kam die neue Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo bei ihrem Berliner Amtskollegen zum Antrittsbesuch vorbei. "Was mir an Berlin gefällt? Die Freibäder", sagte sie kürzlich in einem Gespräch mit Journalisten.
Die gebürtige Spanierin ist die erste Frau und zugleich die erste Einwanderin an der Spitze der französischen Hauptstadt. Sie hat eine gewaltige Aufgabe vor sich: Paris ist flächenmäßig die kleinste der europäischen Hauptstädte und zugleich extrem dicht besiedelt.
Das Stadtgebiet mit seinen 2,3 Millionen Einwohnern geht nahtlos in den Ballungsraum Ile de France mit insgesamt fast 12 Millionen Menschen über. Wohnungsnot und Luftverschmutzung zählen daher zu den drängendsten Problemen in Paris.
"Dann wird man in Paris bald nicht mehr atmen können"
In ihren ersten hundert Tagen im Amt hat die 55-Jährige klar gemacht, in welche Richtung es gehen soll: "Wenn wir nichts tun, dann wird man in Paris bald nicht mehr atmen können", warnte sie. Damit stellt sie sich in die Linie ihres Vorgängers Bertrand Delanoë, der ungeachtet des massiven Protests der Autolobby einen Teil der Uferstraße an der Seine zu einer Fußgängerzone erklärt hatte.
"Paris soll nicht von Stadtautobahnen zerschnitten werden", betont sie und verweist auf die Alternativen, mit denen sie den Parisern das autofreie Leben schmackhaft machen will: eines der dichtesten Netze städtischer Leihfahrräder (Vélib), mietbare Elektroautos (Autolib), eine neue Straßenbahn parallel zum ständig verstopften Autobahnring rund um Paris.
Wie schlimm es um die Pariser Luft steht, zeigte sich just einen Tag vor der Kommunalwahl im März, als die Verschmutzung Rekordwerte erreichte. Mehrere Tage lang dufte jeweils nur die Hälfte aller Fahrzeuge auf die Straße, abwechselnd die mit geraden und mit ungeraden Zahlen auf den Nummernschilder.
Künftig soll dies automatisch der Fall sein, sobald der Grenzwert überschritten wird. Zudem sind Anwohnerparkplätze und öffentliche Verkehrsmittel dann gratis. "Ein Tag Metro gratis kostet uns zwischen drei und vier Millionen Euro, aber das ist nun einmal notwendig", betont Hidalgo.
Eine Maut lehnt sie ab
Eine Maut für die Innenstadt nach dem Vorbild Londons will sie jedoch nicht einführen. "Ich will Paris nicht dichtmachen", sagt sie. Viele Berufspendler hätten keine andere Wahl. Zudem seien es häufig die Geringverdiender, die die umweltschädlichsten Autos hätten.
Und was sie nicht sagt, aber jeder weiß: Die Luft verpestenden Reisebusse bringen nun mal zahlungskräftige Touristenhorden in die Stadt. Im vergangenen Jahr waren es im Großraum Paris 47 Millionen - womit Paris seinen Spitzenplatz als Touristenziel noch vor London behauptet.
Mit Grünflächen sieht es in Paris auch nicht gerade gut aus: Viele Parks schmücken sich mit wunderhübschen Blumenbeeten, aber auf den Rasen prangen meist "Betreten verboten"-Schilder. "Zusätzliche Grünflächen anzulegen ist nicht einfach", räumt Hidalgo ein.
Die Bürgermeisterin will unter anderem die Umwandlung einer stillgelegten Eisenbahnlinie ("La petite ceinture") rund um Paris in eine grüne Spazierstrecke weiter vorantreiben. Eine weitere Idee: "Braucht Paris eigentlich sechs Hektar Hubschrauberlandeplätze? Da ließe sich sicher auch noch etwas machen." Und schließlich soll auch der verkehrsumtobte Bastille-Platz teilweise zu einer Fußgängerzone erklärt und begrünt werden.
Bekennende Feministin
Der Aufstieg der gebürtigen Spanierin, die in einem Arbeiterviertel in Lyon aufwuchs, ist sicher ein Beispiel für gelungene Integrationspolitik. Aber auch für eine gehörige Portion Ehrgeiz und Ausdauer: "Ich habe mein Leben lang doppelt so viel arbeiten müssen, weil ich eine Frau und eine Einwanderin bin", sagt die bekennende Feministin, die sich entgegen den französischen Gepflogenheiten "Madame LA maire" nennen lässt (Frau Bürgermeisterin statt Frau Bürgermeister).
Hidalgos Eltern, die aus dem andalusischen Cádiz stammen, flüchteten vor Franco, als Anne - damals noch Ana - zwei Jahre alt war. Niemand in der Familie sprach Französisch. Zehn Jahre später erhielt sie die französische Staatsangehörigkeit.
Am 25. August steht in Paris ein wichtiger Jahrestag an: Vor 70 Jahren befreite General Charles de Gaulle die Hauptstadt von der Besatzung durch die Nazis. Hidalgo will eine fröhliche Gedenkveranstaltung, mit Tanzfesten wie sie 1945 spontan in der ganzen Stadt gefeiert wurden.
Sie hat den scharfen Blick der einst Außenstehenden bewahrt. "An der Befreiung von Paris waren auch viele Ausländer beteiligt waren - Spanier, deutsche Juden und andere. Das wurde lange verschwiegen", merkt sie kritisch an. Und wenn dieses Jahr die Befreiung von Paris gefeiert wird, dann soll auch der Anteil der Nicht-Franzosen daran gebührend geehrt werden.