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Sozialisten-Chef Sánchez wird Spaniens Ministerpräsident

Ein erfolgreiches Misstrauensvotum macht den Sozialdemokraten Pedro Sánchez überraschend zum neuen spanischen Regierungschef. Sein Handlungsspielraum ist allerdings begrenzt.
von Gero Maaß · 4. Juni 2018
Der spanische Sozialist Pedro Sanchez im spanischen Parlament
Der spanische Sozialist Pedro Sanchez im spanischen Parlament

Zuletzt ging alles ganz schnell: Mit 180 zu 169 Stimmen setzte sich am vergangenen Freitag eine Anti-Rajoy-Koalition durch und installierte den Sozialdemokraten Pedro Sánchez als neuen Regierungschef Spaniens. Noch am Samstag ernannte König Felipe VI. ihn offiziell zum Ministerpräsidenten. Spätestens am kommenden Donnerstag rechnen die politischen Beobachter mit der neuen Ministerriege.

Die Regierungskrise dagegen hatte sich abgezeichnet. Seit 2011 hatte der konservative Regierungspräsident Mariano Rajoy amtiert, zuletzt mit einem Minderheitskabinett. So manche Krise hatte er stur und stoisch überstanden. Zuletzt verlor er im Zeichen schlechter Umfragen indes selbst in der eigenen Partei Partido Popular (PP) an Rückhalt, agierte ohne Lösungsperspektive in der Katalonien-Frage, stand hilflos immer neuen Korruptionsskandalen seiner PP gegenüber und glänzte durch Aussitzen und Stillstand.

Die sozialistische Partei Spaniens, die Pardido Socialista Obrero Español (PSOE), brachte für ihren Misstrauensantrag eine bunte Anti-Koalition zustande. Was für die PP eine „Frankenstein-Koalition“ darstellte, war für die PSOE Ausdruck eines demokratischen Neuanfangs, der von der linkspopulistischen Podemos bis zu den unterschiedlichen Regionalparteien vom linken wie rechten Spektrum reichte.

Sánchez – Sozialdemokrat und Pro-Europäer

Der 46-jährige Sánchez ist Volkswirt. Er begann seine politische Laufbahn im Jahr 2000, fungierte als Berater der Regionalregierung von Madrid und arbeitete später Ministerpräsident José Luís Zapatero zu. 2014 setzte er sich als neuer Parteichef der PSOE durch, wurde nach zwei verlorenen Wahlen und zwei vergeblichen Anläufen einer Regierungsbildung (zunächst mit den Liberalen und später mit Podemos) im Herbst 2016  von der Mehrheit der eigenen Abgeordneten und PSOE-Regionalvorsitzenden und -präsidenten zum Rücktritt gezwungen. Dann das Comeback: Im Mitgliederentscheid vom Mai 2017 kehrte er mit einem stärker basisdemokratisch und links ausgerichteten Profil an die Spitze der Partei zurück. Nun rückt er überraschend als dritter Sozialdemokrat an die spanische Regierungsspitze.

Sein Handlungsspielraum ist begrenzt: Aus dem bunten Anti-Rajoy-Bündnis eine stabile Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode im Juni 2020 zu machen, ist ein schwieriges Unterfangen. Die Podemos-Führung hat verlauten lassen, dass die Zeit einfarbiger Regierungen in Spanien vorbei sei – zumal mit nur 84 sozialistischen Parlamentssitzen. Sie erwarte ein Koalitionsangebot für eine progressive Regierungsallianz – ansonsten sehe sie sich als Opposition.

Bündnis mit Hindernissen

Zusammen kämen sie mit 155 zwar auf mehr Stimmen als die bisherige PP-Minderheitsregierung, blieben jedoch weiter auf die Regionalparteien angewiesen, um bei den Abstimmungen die Mehrheitshürde von 176 Sitzen zu nehmen. Mit der parlamentarischen Unterstützung der liberalen Ciudadanos wird nicht zu rechnen sein. Parteichef Albert Rivera drängt im Zeichen verheißungsvoller Meinungsumfragen auf baldige Neuwahlen, um selbst den Stuhl des Regierungschefs einzunehmen.

Mit dem Versprechen, einen neuen Dialog anzufangen, hatte sie die Katalanen auf ihre Seite gezogen. Sánchez versprach eine Regierung der Demokratie, machte aber auch deutlich, dass eine Abspaltung nicht infrage komme. Auch PP und Ciudadanos werden mit Argusaugen darauf achten, dass die neue Linksregierung der separatistischen Regionalregierung in Barcelona nicht zu weit entgegenkommt.

Sozialpolitische Initiativen – aber wie?

Für weiterreichende sozialpolitische Initiativen bleiben die Möglichkeiten beschränkt. Er wolle mit dem verabschiedeten Budget des Vorgängers arbeiten – dies hatte er den baskischen Nationalisten versprechen müssen. Auch einen neuen Haushaltsentscheid des Parlaments wollte er so vermeiden.

Die eigene Parteilinke wie Podemos möchten an sozialpolitischen Schrauben drehen. Für die beiden Gewerkschaftsbünde UGT und CCOO steht die Revision der konservativen Arbeitsrechtsreform aus dem Jahr 2012 oben auf der Prioritätenliste. Auch die Rentenfrage steht ganz weit vorne auf der Agenda.

Neuwahlen als Amtsrisiko

Nur zu gerne möchte der neue Regierungschef Neuwahlen solange wie möglich hinausschieben. Jüngste Umfragen unterstreichen, dass ein frühzeitiger Urnengang die liberale Ciudadanos aufs Schild heben würde. Die PSOE läge momentan sogar nur an vierter Stelle. Die Regionalparteien haben sich indes wie die Liberalen schon im Vorfeld für zügige Neuwahlen ausgesprochen.

Autor*in
Gero Maaß

leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Madrid.

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