So punktet Hillary Clinton gegen Donald Trump
„And the Oscar goes to… - Hillary Clinton!“ Ach nein, wir sind ja nicht bei den Academy Awards, sondern im Wahlkampf. Vor dem St. James Theater in New York kommt aber ein Gefühl von Rotem Teppich auf. Julia Roberts steigt aus dem Auto. Jake Gyllenhaal lacht in die Kamera. Sarah Jessica Parker und Emily Blunt dürfen nicht fehlen. Blitzlichtgewitter am Broadway – für Hillary. Sie alle tragen Buttons oder Shirts für die erste weibliche Präsidentschaftskandidatin. Selbst Anna Wintour, die Chefredakteurin der Vogue, trägt ein Hillary T-Shirt als wäre es die IT-Bag. Voller Freude und Genuss ruft sie noch ein kurzes „Fuck you!“ zu den wenigen Trump-Demonstranten und stolziert hinein.
Fundraising der A-Promis für Hillary Clinton
Die High Society kommt zusammen, um ein Zeichen für Hillary, für Frauenrechte, für eine starke Wahlbeteiligung zu setzen – und um Geld zu sammeln. Fundraising in einer besonderen Dimension. Das beste Ticket für die Show kostete 100.000 Dollar. Die Riege an Schauspielern, Sängern und Sportlern, die Hillary unterstützen, wird immer länger. Hillary hat sie alle – Trump hat Clint Eastwood und vielleicht Tom Brady; niemand weiß es.
Draußen vor der Tür sieht man Touristen, die ihr Glück kaum fassen können bei all den Stars. Und vier Trump-Unterstützer. Sie zeigen das Spektrum des Trump Lagers. Da ist die Demonstrantin, die ohne Pause „Hillary ist eine Lügnerin. Bill vergewaltigt!“ schreit. Sie hält dabei das Trump-Schild falsch herum. „Angela Merkel. Theresa May. Hillary Clinton. Das geht gar nicht“ sagt ein Mann zu ihr – wohl kein wirklicher Feminist. Es gibt den Unternehmer aus New York, verheiratet mit einer Deutsch-Französin, der die Verfassung durch Hillary in Gefahr sieht. Voller Stolz zeigt er sein Trump-Schild. Taxifahrer hupen ihm als Dank zu oder schimpfen los. Eine Frau aus Montana, die auf dem Weg zu einem Theaterstück ist, klopft ihm unterstützend auf die Schulter. „Wir haben ein riesiges Werbeschild an der Autobahn. Behalte deine Waffen und wähle Trump!“ Waffenbesitz – eines der Lieblingsthemen in amerikanischen Wahlkämpfen.
Die modernste Kampagnenzentrale der Welt
Ich halte mich an dem Abend an die Touristen, schieße Fotos und freue mich über das Sex and the City-Gefühl in dieser Stadt. Getoppt wird es durch das West Wing-Gefühl am nächsten Tag. Den Besuch der Hillary for America-Kampagnenzentrale, der modernsten der Welt. Eingebaut in einem nichtssagenden Hochhaus in Brooklyn, zwischen Teppich und niedrigen Decken.
Mein Kollege Tobias Nehren und ich treffen uns mit Rob und lassen uns über die Digitalstrategie von Hillary aufklären. Wie bereitet ihr das TV-Duell vor? Wie geht´s wirklich weiter mit Snapchat? Welche Rolle spielen Social Bots? Aus dem Nachbarraum hören wir Klatschen und Stampfen. Ein sogenanntes Sprint Review, bei dem am Ende neu programmierte Features vor dem Team vorgestellt werden. Das Digitalteam des Parteivorstands arbeitet mit der gleichen Methode; agiles Projektmanagement. Aber hier ist alles größer und eben lauter.
Sehr groß, sehr laut und trotzdem gemütlich
500 junge Leute um die 30 arbeiten an diesem „größer und lauter“. Sie sitzen auf Sitzsäcken und an Schreibtischen, dekoriert mit bunten Einhörnern, Luftballons, Girlanden und Hipster-Plakaten von Hillary. Man hat das Gefühl, jemand hat die Ansage gemacht: „Macht es euch gemütlich. Das ist euer Zuhause für die nächsten Monate.“ Bei der Taktung des Wahlkampfs verständlich, denn nach Hause gehen hier die meisten erst sehr spät. Doch es liegt auch so was wie Sicherheit in der Luft. Die Leute kennen Hillarys gute Umfragen. Und sie wussten auch, was sie beim dritten TV-Duell am nächsten Tag erwartet.
Vorbereitung schafft Sicherheit. Hillary wurde seit Tagen auf den Abend vorbereitet – das letzte TV-Duell. Sie wirkte souverän. Sie ging nicht auf Attacken von Trump ein und wies bei Lügen auf das einfachste hin: Leute, googelt! Auch Trump schien sich gut vorbereitet zu haben. Er wirkte am Anfang sogar wie ein echter republikanischer Kandidat: Für Waffen, gegen Abtreibung, für Steuersenkungen und gegen Einwanderung. Das klang alles auf einmal nach einer inhaltlichen, normalen TV-Debatte.
Trump will Wahlergebnis nicht sicher anerkennen
Doch Trump wäre nicht Trump, wenn er nicht doch einen großen Punkt oder Fehler machen würde – je nach Perspektive. Mit seiner Aussage, dass er das Wahlergebnis nicht sicher anerkennen wird, zog er viele negative Reaktionen online, aber auch bei unserem Public Viewing an der Baldwin-Wallace-Universität in Cleveland auf sich. Eine Aktive der College Democrats sagte bereits vor der Debatte „Wie schaffen wir es, das Land nach den Wahlen wieder zusammen zu führen?“ Mit solchen Trump-Aussagen leider nicht. Demokratie braucht Vertrauen. Sonst funktioniert sie nicht. Das Thema wird die Debatten nach der Debatte bestimmen. Die Demonstranten vor dem St. James Theater werden sich wohl nicht mehr davon überzeugen lassen, Trump nicht zu wählen. In den nächsten 20 Tagen gibt es aber noch genug andere, die es zu überzeugen gilt.
Judith Klose ist für die letzten Wochen des US-Wahlkampfs vor Ort. Sie berichtet jede Woche von ihren Eindrücken und spannenden Ideen im Wahlkampf auf vorwärts.de; darüber hinaus schreibt sie bei Twitter unter #wahlwatching.
leitet das Büro des stellv. Parteivorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel im Willy-Brandt-Haus.