So eindringlich mahnt Steinmeier zum Frieden in Europa
Anlässlich des 75. Jahrestages des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier nachdrücklich die Bewahrung der europäischen Friedensordnung angemahnt. „Der Blick 75 Jahre zurück ermahnt uns in der denkbar eindringlichsten Weise, alles Menschenmögliche zu tun, die europäische Friedensordnung zu bewahren, die aus den Trümmern des fürchterlichsten Kriegs entstanden ist, den die Welt je gesehen hat“, betonte Steinmeier in einem Artikel für verschiedene Tageszeitungen. Sein Beitrag erschien am Mittwoch zugleich in der russischen Tageszeitung „Kommersant“, der ukrainischen Wochenzeitung „Zerkalo Nedeli“ und der weißrussischen Tageszeitung „Sowjetskaja Belarusia“.
Steinmeier sieht Europas Friedensordnung in Gefahr
Steinmeier nahm in seinem Beitrag auch Stellung zum russisch-ukrainischen Konflikt um die Krim und zum Krieg in der Ostukraine. „Gerade in einer Zeit, in der in Europa die Gefahr neuer Trennlinien besteht, müssen wir uns immer wieder aufs Neue die Bedeutung dieser gemeinsamen Erinnerungen bewusst machen.“ Nur gemeinsam könne Europa eine nachhaltige und stabile Friedensordnung erhalten. „Die völkerrechtswidrige einseitige Veränderung von Grenzen und die Nichtachtung der territorialen Integrität von Nachbarstaaten – all das führt uns in überwunden geglaubte Zeiten zurück, die sich niemand wünschen kann“, so Steinmeier. „Die Schlussakte von Helsinki, die großen Abrüstungsverträge, die Charta von Paris, der europäische Einigungsprozess – all das gilt es zu achten, zu bewahren und gemeinsam weiterzuentwickeln.“
Der Außenminister äußerte den Wunsch, „dass wir auch beim Umgang mit den Konflikten unserer Zeit nie vergessen, dass uns Europäer ungleich mehr verbindet als uns trennt“. Als Lehre aus dem Unglück und den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges formulierte Steinmeier: „Wenn wir den Opfern des Krieges, den Soldaten in den namenlosen Gräbern und den ermordeten misshandelten Alten, Frauen und Kindern eines schulden, dann die gemeinsame Erinnerung an ihr Leiden und ihr Opfer und die tägliche Bekräftigung: 'Nie wieder'!“
Der Vernichtungskrieg kam aus dem Westen
Steinmeier stellte einen weiteren Bezug zwischen der deutsch-russischen Geschichte und dem aktuellen Ukraine-Konflikt her. „Auch bei allen aktuellen Debatten um die europäische Friedensordnung dürfen wir nie vergessen, dass die Aggression, der Vernichtungskrieg, die Untermenschen-Ideologie aus Europa, aus dem Westen, von Hitler-Deutschland über die Völker der Sowjetunion hereingebrochen ist.“ Dies präge auch die Gegenwart, so der Außenminister. „Wer wie ich häufig in Russland, der Ukraine und auch in Weißrussland ist, weiß, wie sehr der ,Große Vaterländische Krieg' noch im Bewusstsein der Menschen präsent ist.“
Der hohe Blutzoll, den Russen, Ukrainer, Weißrussen und die anderen Völker der Sowjetunion gezahlt hätten, sei bis heute unvergessen. „Das zu sagen, relativiert nicht die Verbrechen Stalins, den Gulag, die Zwangskollektivierung und den Hungertod von Millionen Menschen, vor allem in der Ukraine“, ergänzte Steinmeier.
Keine Versöhnung ohne Erinnerung
„Wir Deutsche sind unendlich dankbar dafür, dass uns die Menschen in Russland, der Ukraine, in Weißrussland und anderswo in der ehemaligen Sowjetunion angesichts der im deutschen Namen begangenen Untaten und Verbrechen die Hand zur Versöhnung gereicht haben“, betonte er. „Das Wachhalten der Erinnerungen an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und an die deutsche Schuld war, ist und bleibt eine unverzichtbare, zwingende Voraussetzung für die Aussöhnung zwischen unseren Ländern.“