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Sieg für europakritische Tories – Niederlage für Labour

Die Labour-Partei hat die Parlamentswahlen in Großbritannien deutlich verloren, ihr Vorsitzender Ed Miliband ist zurückgetreten. Die konservativen Tories haben die absolute Mehrheit gewonnen – das Risiko, dass Großbritannien aus der Europäischen Union aussteigt, ist damit deutlich gestiegen.
von Tina Stadlmayer · 8. Mai 2015
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Labour, die Schwesterpartei der SPD, wird mit etwa 243 Abgeordneten ins Parlament einziehen, die konservativen Tories mit mindestens 323. Camerons bisheriger Koalitionspartner, die Liberaldemokratische Partei, verlor etwa 50 Mandate und stellt nur noch acht Abgeordnete. Die Scottish National Party (SNP) hat voraussichtlich sämtliche bisherigen Labour-Mandate in Schottland gewonnen und wird mit mehr als 50 Abgeordneten ins Parlament in Westminster einziehen.

Ed Miliband übernimmt die Verantwortung und tritt zurück

Labour Chef Ed Miliband wirkte sichtlich niedergeschlagen, als er am späten Donnerstagabend vor die Kameras trat und seine Niederlage eingestand. Er nahm die bitteren Verluste auf seine Kappe und trat am Freitag als Vorsitzender seiner Partei zurück. Nachdem Ed Miliband mit seiner linken Abgrenzung der Politik von „New Labour“ gescheitert ist, werden wieder heftige Diskussionen über den richtigen Kurs der Partei aufflammen. Prominente Labour-Abgeordnete wie Schatten-Finanzminister Ed Balls und Schatten-Außenminister Douglas Alexander haben ihre Mandate verloren. Sie können nicht wieder ins Parlament einziehen, weil das britische Wahlrecht nur Direktmandate, keine Wahllisten zulässt.

Votum gegen Minderheitenregierung

Das britische Wahlrecht ist auch der Grund dafür, dass die Umfragen vor der Wahl so deutlich falsch lagen. Weil nur diejenigen Abgeordneten ins Parlament einziehen, die eine Mehrheit in ihrem Wahlkreis bekommen, fallen alle Stimmen für die unterlegenen Kandidaten unter den Tisch. In den Umfragen werden diese Stimmen jedoch gezählt. Möglicherweise haben die Umfragen auch das Wahlergebnis beeinflusst. Sie hatten eine Labour-Minderheitsregierung vorausgesagt. Offenbar haben sich viele vor der Wahl noch unentschlossene Wähler kurzfristig für die regierenden Konservativen entschieden, weil sie sich nicht auf das Experiment einer von der SNP tolerierten Labour-Minderheitsregierung einlassen wollten.

Schotten beharren auf Unabhängigkeit

Besonders der Erdrutsch-Sieg der SNP in Schottland muss Labour zu denken geben. Ehemalige Labour-Wähler sind scharenweise zur linken Schottischen Nationalpartei abgewandert. Sie waren offenbar nicht damit einverstanden, dass sich die schottische Labour-Partei vor dem Referendum im September vergangenen Jahres gegen die Unabhängigkeit Schottlands ausgesprochen hatte. „Der Schottische Löwe hat gebrüllt“, tönte denn auch der ehemalige SNP-Vorsitzende Alex Salmond am Wahlabend. 

Wahlsieger David Cameron hat das Brüllen offenbar auch vernommen. Noch am Wahlabend versprach der Premier, dass seine Regierung mehr Autonomie für Schottland und Wales umsetzen werde. Möglicherweise werden sich die Schotten damit aber nicht zufrieden geben und ein neues Unabhängigkeits-Referendum ansetzen.

EU-Ausstieg nicht ausgeschlossen

Doch auf die neue Regierung Cameron kommen noch ganz andere Probleme zu. Der Premier kann sich nun nicht mehr auf die Europa-freundlichen Liberaldemokraten berufen, wenn die Europa-Gegner in seinen eigenen Reihen Druck machen. Viele Konservative werden darauf bestehen, dass Cameron in Brüssel auf mehr Eigenständigkeit der Mitgliedsländer innerhalb der EU drängt. Die Ergebnisse dieser Verhandlungen sollen den Briten spätestens 2017 in einem Referendum zum Austritt aus der EU vorgelegt werden.

Cameron hat zwar in der Vergangenheit immer wieder versichert, dass Großbritanniens Platz in der EU sei. Aber er hat auch gewarnt, ohne strukturelle Reform der Union drifte sein Land dem EU-Ausstieg entgegen. Diese Gefahr ist durch den Wahlausgang deutlich gestiegen.

Das Wahlergebnis wird auch die Debatte über das britische Wahlrecht neu aufleben lassen, denn die kleineren Parteien halten das Mehrheits-Wahlrecht für undemokratisch. Die Grünen bekamen landesweit vier Prozent der Stimmen werden voraussichtlich aber nur mit einem Mandat ins Parlament einziehen. Die rechtspopulistische Ukip-Partei ist mit 13 Prozent die drittstärkste Partei und wird einen Abgeordneten ins Parlament schicken. Ihr Star, Nigel Farage, konnte kein Mandat erringen und ist inzwischen als Ukip-Vorsitzender zurückgetreten.

Autor*in
Tina Stadlmayer

lebt in London und berichtet für deutsche Medien über Politik, Soziales und Kultur in Großbritannien.

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