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Separatisten wollen MH17 nicht abgeschossen haben

von Jörg Hafkemeyer · 18. Juli 2014

Die Hinweise mehren sich, dass die malaysische Passagiermaschine MH17 von ukrainischen Separatisten abgeschossen wurde. Doch die weisen die Schuld an dem Tod von 298 Zivilisten von sich.

Viele internationale Fluglinien haben nach der Katastrophe östlich der umkämpften Stadt Donezk ihre Flugrouten geändert. Auch die deutsche Lufthansa und die Luftwaffe umfliegen die Ukraine weiträumig. Die ukrainischen Behörden haben den Luftraum über dem umkämpften Osten des Landes auf unbestimmte Zeit  geschlossen. Die Kriegsgegner beschuldigen sich gegenseitig, die malaysische Boeing 777 abgeschossen zu haben. Die Maschine war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur gewesen.

Die Informationen von der Absturzstelle sind nach wie vor bruchstückhaft und zum Teil unzuverlässig. Es gibt Hinweise, die den Schluss zulassen, dass das Flugzeug abgeschossen wurde. Dafür sprechen auch die Gesprächsprotokolle von Telefongesprächen zwischen Separatisten und einem russischen Geheimdienstoffizier, die der ukrainische SBU der Kiew Post übergeben hat. Aus ihnen geht hervor, dass Separatisten die Boeing nahe dem Ort Grabove abgeschossen haben. Nicht sicher ist jedoch die Echtheit der Dokumente in diesem Propagandakrieg zwischen Moskau und Kiew, in dem die russische Seite Kiew für den Absturz verantwortlich macht.

Auch ein Hubschrauber und ein Transportflugzeug abgeschossen

Nach zuverlässigen Informationen sind in den vergangenen Wochen von den Separatisten ein Hubschrauber und ein Transportflugzeug der ukrainischen Streitkräfte abgeschossen worden. Die Regierung in Kiew hat das wieder und wieder beklagt und darauf hingewiesen, dass die für solche Abschüsse notwendige Ausrüstung nur von der russischen Seite gekommen sein könne. Was die natürlich bestreitet.

In diesem Krieg wird verschleiert und getäuscht, gelogen und geschossen. Geredet wird viel, verhandelt kaum, und alle Versuche des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier und seines  US-amerikanischen Amtskollegen John Kerry, die Krieg führenden Parteien zu einem Waffenstillstand zu bewegen, waren erfolglos. Und solange die Regierung in Moskau ihre Unterstützung für die Separatisten nicht einstellt, bleibt die Lage in der Ostukraine so trost- und hoffnungslos wie sie ist. Das gilt vor allem für die Bevölkerung, die den Kämpfen schutzlos ausgeliefert ist und auf die keinerlei Rücksicht genommen wird.

Die Lage ist nicht nur militärisch denkbar kompliziert, sondern auch politisch. Das Europäische Parlament will, dass an Russland keine Waffen mehr verkauft werden. Und es fordert, dass die Regierungen in den EU-Mitgliedsländern die Sanktionen gegen Russland verschärfen. Dieser Prozess hat bereits begonnen: Die US-Regierung hat Strafmaßnahmen gegen russische Energie- und Rüstungsfirmen beschlossen. Die Europäische Union will alle russischen Unternehmen sanktionieren, die zur Destabilisierung der Ukraine beitragen.

Zum Krieg entschlossen

Ob diese Maßnahmen viel bringen werden, ist ungewiss. Zumal beide Krieg führenden Parteien offenbar entschlossen sind, weiter Krieg zu führen. Trotz aller Gesprächsangebote, trotz aller Konferenzen und Telefonate, trotz aller Friedensaufrufe unter anderem von den Vereinten Nationen. Sie verhallen ungehört.

Die ukrainische Armee setzt also ihre Offensive auch nach dem mutmaßlichen Abschuss der malaysischen Passagiermaschine fort, wodurch sich auch die Spannungen mit Russland verschärfen. Die Kämpfe konzentrieren vor allem auf die Region um die Stadt Donezk.

Ob es zu zuverlässigen Untersuchungen des Absturzes kommt, ist zweifelhaft. Augenscheinlich wurde an der Absturzstelle bereits geplündert, auch die Flugschreiber scheinen verschwunden oder in den Händen der Separatisten zu sein. Moskau hat zumindest zugesagt, sich für eine "objektive" Untersuchung des Falls einzusetzen.

Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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