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Separatisten erklären sich schon mal zum Wahlsieger

In der selbsternannten „Volksrepublik Donezk“ hat sich der Separatistenführer Alexander Sachartschenko am heutigen Montag als „Republik-Chef“ ausrufen lassen, obwohl erst die Hälfte der Stimmen ausgezählt war.
von Dmitri Stratievski · 3. November 2014
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In der benachbarten „Volksrepublik Luhansk“ feiert sich der bisherige „Amtsinhaber“ Igor Plotnizki ebenfalls schon als Gewinner. Die Führung der selbsternannten „Volksrepubliken Donezk und Luhansk“ hatte die Bewohner der von Separatisten kontrollierten Gebiete im Osten der Ukraine zu Wahlen am Sonntag aufgerufen. Unabhängige Wahlbeobachter fehlten ebenso wie vollständige Wahllisten. Pro-ukrainischen Parteien waren zur Wahl gar nicht erst zugelassen.

Nur Russland erkennt diese Wahlen an

Während Kiew, Brüssel und Washington die Wahlen für unrechtmäßig erklärten, akzeptiert Moskau das Wahlergebnis und beharrt darauf, dass die Stimmabgabe mit dem geheimen Teil der Minsker Vereinbarung kompatibel sei.

Russland riskiert in dieselbe innenpolitische Falle zu tappen wie im vergangenen Sommer. Durch Putins Vorgehen werden die Hardliner im Land gestärkt und bei der kremltreuen russischen Bevölkerung Hoffnungen geweckt, die nicht zu erfüllen sind. Moskau hat derzeit nicht die Ressourcen, die Separatistengebiete zu versorgen. Die ohnehin angeschlagene russische Volkswirtschaft leidet bereits jetzt unter den Sanktionen des Westens. Weitere Wirtschaftssanktionen würden die Lage weiter verschärfen.

Koalitionsbildung in Kiew einfacher als erwartet

Die offiziellen Wahlen unter der Regie Kiews und den Augen der OSZE-Wahlbeobachter am vorangegangenen Sonntag haben inzwischen zu ersten Koalitionsgesprächen geführt. Vergangene Woche stellten Präsident Petro Poroschenko, Premier Arsenij Jazenjuk und der politische Newcomer Andrej Sadowyj die Weichen für eine Dreier-Koalition. Diese Koalition ist das Wunschmodell des Präsidenten und wird wahrscheinlich eine rasche Billigung aller notwendigen Gesetze garantieren.

Die drei Parteien haben nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen eine klare Mehrheit im Parlament. Der Block Poroschenko kommt auf 21,8 Prozent und 132 Abgeordnete dank zahlreicher Direktmandate. Jazenjuks Volksfront erringt 22,2 Prozent und 82 Abgeordnete, und die Partei Selbsthilfe des Lemberger Bürgermeisters Sadowij, kommt auf 10,9 Prozent und 33 Sitze im Parlament.

Vor allem das Scheitern der rechtsradikalen Partei Freiheit sowie das schlechte Abschneiden der Rechtspopulisten hat die Verhandlungspositionen für die politischen Weggefährten des ukrainischen Präsidenten verbessert. Als gutes Argument für eine rasche Koalitionsbildung gilt die besondere Reformbedürftigkeit des Landes in Wirtschaft und Verwaltung. Weltanschauliche Gegensätze zwischen den potenziellen Koalitionspartnern sind nicht vorhanden. Gesellschaftliche Konfliktlinien wie der Kampf Konservativer gegen Linke oder soziale Marktwirtschaft gegen Neoliberalismus bleiben in der ukrainischen Politik weiterhin sekundär.

Spaltung der Parteienlandschaft vermeiden

Zugleich soll eine Spaltung des Maidan-Lagers ebenso vermieden werden wie die Bildung eines Oppositionsbündnisses um die charismatische Julia Timoschenko (Vaterlandspartei, 5,7 Prozent) und den Nationalisten Oleh Ljaschko (Radikale Partei, 7,5 Prozent). Jazenjuk favorisiert deshalb eine breite Pro-Maidan-Koalition von fünf Parteien unter dem Arbeitstitel „Europäische Ukraine“.

Das entspricht dem pragmatischen Kalkül des ukrainischen Premiers. Unter Hinweis auf das frühere Angebot des Präsidenten Poroschenko („alle Maidan-Parteien sind eingeladen“), könnte er durch diese extra große Koalition populäre Einzelpersonen aus der Radikalen Partei und der Vaterlandspartei schwächen sowie das „Oppositionelle Bündnis“ ehemaliger Janukowytsch-Verbündeter marginalisieren. Eine solche klare Gegenüberstellung von Parteien pro und contra Maidan ist der Wählerschaft leicht zu vermitteln. Dieser Plan ist auch als Lehre zu verstehen aus der Erfahrung der Regierungszeit Viktor Juschtschenkos, in der die Lagerbildung eine effektive Politik verhindert und die Ukraine innen- wie außenpolitisch geschwächt hat.

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Dmitri Stratievski

ist promovierter Historiker, Politologe und Osteuropa-Experte.

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