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Schottisches Referendum: „It's gonna be tight“

Die Schotten entscheiden am morgigen Donnerstag über ihre Unabhängigkeit, der Ausgang des Referendums ist offen. Auch in den schottischen Pubs ist man sich nur in einem einig: Es wird knapp.
von Jörg Hafkemeyer · 17. September 2014
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Stolz sind die Menschen in Oban auf zwei Dinge: Auf den gleichnamigen Whisky, der in ihrem kleinen Hafenstädtchen an der westschottischen Küste seit 1794 hergestellt wird, und auf einen Ausspruch von Queen Victoria, die über Oban einst sagte: „Das ist einer der schönsten Orte, den ich jemals gesehen habe.“ Peter Rogerson findet das auch.

Dort, wo die kleine Straße, in der „The Oban Destillery“ liegt, auf die Hafenstraße trifft, steht der 42-Jährige und schaut über das Wasser auf die  Fischkutter: „Vor 160 Jahren etwa waren wir ein kleines Fischerdorf. Heute sind wir eine moderne Kleinstadt, in die Touristen aus ganz Europa kommen. Mit der Bahn und mit dem Schiff.“ Rogerson ist hier geboren. Er hat im nicht weit entfernten Glasgow gearbeitet und ist wieder zurückgekehrt. Er hat eine Barkasse und macht Boat Trips für die Gäste, hinüber zur kleinen Insel Kerrera und zu den Seehunden.

„Das Geld bleibt bei uns“

Der Schotte kümmert sich nicht um Politik: „Ob sich durch das Votum am 18. September etwas ändern wird? Für uns hier nicht und die Älteren wollen auch nicht, dass sich etwas ändert.“ Er wird nicht abstimmen, weder für noch gegen die schottische Unabhängigkeit. Anders Annie Wolfe: Die junge Frau steht an der Tür des Herrenausstatters P. G. Field „Masters of Countrywear“ und grüßt Rogerson während sie eine Zigarette raucht. „Am Anfang war ich mir nicht sicher und war dagegen. Nun werde ich ja sagen.“

Auch in Oban hat die Zahl derjenigen, die schließlich für die schottische Unabhängigkeit votieren werden, zugenommen. Vor allem bei den Jüngeren, wie der 28 jährigen Annie: „Das Geld, das wir in Schottland verdienen, soll bei uns bleiben und nicht durch London verteilt werden und wir sind europafreundlich, anders als die Engländer.“

Es gibt in diesem Jahr in der schottischen Gesellschaft kein wichtigeres Thema als das Referendum. Es polarisiert und sorgt für Diskussionen in den politischen und wirtschaftlichen Zirkeln. In Glasgow und Edinburg, Aberdeen und Dundee wird geredet und diskutiert, gestritten und polemisiert. Nordwestlich von Oban, dem alten und wichtigen Fährhafen, liegen die wilden, zerklüfteten Äußeren Hebriden. Die Outer Islands, wie die Schotten sagen. McNeill`s ist der bekannteste Pub in der Cromwell Street in Stornoway. Das ist der größte Ort der Insel Lewis and Harris. Die Männer hier trinken Cidre oder Slainte Mhath, eine Art Guinness. Auf den niedrigen Tischen liegt „Island Life“, ein gedruckter Führer durch das Jahr 2014 auf den schottischen Inseln im Atlantik.

Was soll uns denn passieren?

Das große Ereignis dieses Jahres ist das Tattoo. Das Festival steht natürlich unter dem Motto: „All set for Tattoo Hebrides 2014 for Scotland`s Year of Homecoming“. Im Pub hier findet sich niemand, der nicht für Schottlands Unabhängigkeit ist. „Wir wollen wieder frei von England sein,“ nuschelt ein älterer Herr und schlürft seinen Whisky. Er liebt die Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling, obwohl sie Engländerin ist, aber sie lebe immerhin in Schottland. Doch dass sie die Gegner der Unabhängigkeit unterstütze, werde er ihr nicht verzeihen.

„Was soll uns denn passieren, wenn wir unabhängig werden“, fragt der Schotte, „das ist doch nur Propaganda gegen uns.“ Die Kampagne für die Unabhängigkeit ist in jeden Winkel des Landes vorgestoßen. Auch in Stornoway ist das nicht zu übersehen. Plakate hängen gegenüber vom Pub an den Hauswänden des kleinen Zeitungsladens, Artikel und Bücher zu allen Fragen und Aspekten des Referendums liegen aus.

Woanders wäre das Referendum möglicherweise eine Auseinandersetzung innerhalb der politischen Klasse, in Schottland ist es das nicht. Es ist eine in allen gesellschaftlichen Bereichen, auch in der Hauptstadt Edinburg. Vor allem geht es dabei immer wieder um die möglichen Folgen der Unabhängigkeit. Die seien, heißt es bei vielen Gesprächspartnern, vor allem negativ für England. Über das „Klein Britannien“, wird gespottet. Eines, das „uns dann endlich ernst nehmen“ müsste, was es Jahrhunderte lang nicht getan habe. 

Die Young Street ist eine enge, Kopfstein gepflasterte Straße. An der Ecke New Castle Street steht ein schmales, enges Haus. Die Oxford Bar. Sie ist eine Institution und die Stammkneipe von Inspektor John Rebus in den Kriminalromanen von Ian Rankin. Der Autor ist an diesem Tag einmal nicht da. Von ihm aber ist bekannt, dass er keine großen Sympathien für eine schottische Unabhängigkeit hegt. Anders als sehr viele seiner Schriftstellerkollegen. „It's gonna be tight,“ es wird sehr knapp, sagt Allaistair, der täglich herkommt. Wie er abstimmen wird? „I don't  know. Ich bin Schotte. Das bleibe ich, wenn wir unabhängig werden. Das bin ich auch, wenn alles so bleibt wie es ist.“ Dann trinkt er sein Pint und grinst.

 

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Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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