Schluss mit lustig: Erdoğan verbietet Frauen öffentliches Lachen
Thomas Trutschel/photothek.net
Lachende Frauen auf Istanbuls Straßen oder am Strand des Schwarzen Meeres: Damit ist ab sofort Schluss. Ein am Freitag von der AKP-Mehrheit im Parlament beschlossenes Gesetz verbietet Frauen ab sofort das Lachen in der Öffentlichkeit. Auch Lächeln steht zukünftig unter Strafe, bis zu 4000 Türkische Lira (umgerechnet rund 1200 Euro) kann es Frauen kosten, auf der Straße zu grinsen. In den eigenen vier Wänden bleibt dagegen auch lautes Lachen erlaubt.
AKP: Lachen ist keine weibliche Tugend
Die Idee ist nicht ganz neu. Bereits im Sommer 2014 hatte der stellvertretende türkische Regierungschef, Bülent Arinç, einen Verfall der Moral in seinem Land angeprangert. „Wo sind unsere Mädchen, die leicht erröten, ihren Kopf senken und die Augen abwenden, wenn wir in ihre Gesichter schauen?“ fragte der Vize-Ministerpräsident in einer Rede in der türkischen Stadt Bursa. Der angebliche Grund für den Sittenverfall: Fernsehserien, stundenlange Telefongespräche, Drogenkonsum – und Frauen, die in der Öffentlichkeit lachen.
Sowohl Arinç als auch Präsident und AK-Parteifreund Erdoğan wünschen sich von der Jugend des Landes mehr „Sittsamkeit“. Jede junge Frau sollte „wissen, was verboten und was statthaft ist“, so Arinç. In der Öffentlichkeit zu lachen, so die AKP-Führung, gehöre nicht zu den weiblichen Tugenden. Die Gesetzesänderung soll nun wieder für Zucht und Ordnung sorgen.
Übergangsfristen für Ausländer
In den Tourismus-Hochburgen im Süden des Landes wird bis Ende des Jahres eine Übergangsregelung gelten. Besucherinnen aus dem Ausland dürfen in Städten wie Antalya oder Bodrum weiterhin straffrei lachen. Ehemänner und Partner deutscher Urlauberinnen sind jedoch angehalten, während des gesamten Urlaubs auf Scherze und witzige Sprüche zu verzichten, um bei ihren Begleiterinnen keine öffentlichen Gefühlsregungen zu provozieren – zumindest außerhalb der Hotelanlagen.
Ansonsten sind Männer von der neuen Regelung bisher ausgenommen. Bisher gebe es keine Pläne, auch männliches Lachverhalten gesetzlich zu regeln, heißt es aus türkischen Regierungskreisen. Die neuen Verordnungen seien speziell zum Schutz der Frauen gedacht. „Man kann Frauen und Männer nicht gleichstellen. Das ist gegen die Natur “, so Präsident Erdoğan in einer Rede vor dem Frauenverband „Kadem“ in Istanbul.
Merkel darf weiterhin lachen
Für die Gespräche zwischen Ankara und Brüssel über einen geplanten EU-Beitritt der Türkei hat das neue Gesetz wohl keine Konsequenzen. Selbstverständlich dürfe Bundeskanzlerin Angela Merkel bei bilateralen Gesprächen in der Türkei weiterhin ungestraft lachen, sagen Völkerrechtler. Ein spezielles „Lachabkommen“ zwischen der Bundesrepublik und dem türkischen Staat sei dafür nicht nötig.
Ungeklärt bleibt der zukünftige Umgang mit schmunzelnden Frauen in der Öffentlichkeit. Juristisch gesehen befindet sich das Schmunzeln in einer Grauzone zwischen Grinsen und Lächeln, sagen Humor-Experten. Um Ärger mit der türkischen Justiz aus dem Weg zu gehen, empfehlen Touristik-Fachleute allen deutschen Türkei-Reisenden, den Strandurlaub mit der gebotenen Ernsthaftigkeit anzugehen – eine Reise-Lachschutz-Versicherung könne dabei helfen.
Erdoğan geht gegen Satiresendung vor
Das Anti-Lach-Gesetz ist ein weiterer Angriff Erdoğans auf den Humor. Erst Anfang der Woche hatte die Einbestellung des deutschen Botschafters wegen eines Beitrags der Satiresendung „extra3“ für diplomatische Verstimmungen zwischen der Türkei und Deutschland gesorgt. Die Sendung hatte Erdoğan in einem humoristischen Video unter anderem wegen seines Umgangs mit der Presse kritisiert. Erdoğan hatte daraufhin gefordert, das Video zu löschen. Der Türkei-Experte Hüseyin Bağcı hatte dazu im Gespäch mit dem ZDF „heute-journal“ erklärt: „Tayyip Erdoğan besitzt keinen Humor, wie ihn ein normaler westlicher Politiker hat.“
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Sie werden es gemerkt haben: Auch wenn alle Zitate in anderen Zusammenhängen so gefallen sind, war dies unser Beitrag zum 1. April. Lachen in der Öffentlichtkeit ist für Frauen in der Türkei selbstverständlich weiter erlaubt - und das wird hoffentlich auch immer so bleiben.
Ihre vorwärts-Redaktion