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Schluss mit der Geheimniskrämerei

von Bernd Lange · 18. Februar 2014

Das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den USA erregt viele Gemüter. Der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange fordert in seinem Kommentar für vorwärts.de, die Verhandlungsstrategie auf den Prüfstand zu stellen.

Heute treffen sich in Washington der US-Handelsbeauftragte Michael Froman und EU-Handelskommissar Karel De Gucht. Vor der nächsten Verhandlungsrunde des geplanten Handels- und Investitionsabkommens (TTIP = Transatlantic Trade- and Investment-Partnership) zwischen der EU und den USA Mitte März wollen beide eine Bestandsaufnahme der bisherigen Verhandlungen vornehmen und den Stand der Dinge eines TTIP-Abkommens reflektieren. Dies ist auch mehr als geboten. Denn die öffentliche Diskussion, der sich entfaltende Widerstand und die politischen Unsicherheiten auf beiden Seiten des Atlantiks nehmen zu.

Verhandlungsdokumente noch unter Verschluss

Vor allem die Strategie für die Verhandlungen sollte deshalb auf den Prüfstand. Zum einen muss endlich Schluss sein mit überflüssiger Geheimniskrämerei. Zwar ist auf EU-Seite durch das Europäische Parlament eine kritische Begleitung des Verhandlungsprozesses organisiert und das Europäische Parlament hat den Dialog mit der Zivilgesellschaft sowie die Einrichtung einer Beratungsgruppe mit Gewerkschaften und Umwelt- und Verbraucherorganisationen durchgesetzt. Aber immer noch sind die Verhandlungsdokumente unter Verschluss. Beide Verhandlungsführer sollten damit Schluss machen und alle Verhandlungsdokumente ins Internet stellen, auch damit die öffentlichen Diskussionen um TTIP auf der Grundlage von Fakten und nicht mit wilden Spekulationen geführt werden. Zum anderen sollte die heutige Bestandsaufnahme genutzt werden, um realistische Ziele, die sich aus den bisherigen Verhandlungen ergeben, formal festzuhalten. Offenbar sind die Vorstellungen und Regelungen der Verhandlungspartner in vielen Bereichen so unterschiedlich, dass ein allumfassendes Abkommen nicht mehr möglich erscheint. Bei Zöllen, in Fragen der öffentlichen Beschaffung, bei einigen Regulierungsstandards und bei begleitenden Handelsregeln ist es besser, die tief hängenden Früchte zu greifen als gar keine Ernte zu erzielen.

Für eine Beschränkung auf wenige Punkte

Auf beiden Seiten des Atlantiks stehen zudem Wahlen an, die zumindest in der EU zu großen Veränderungen führen werden: Am 25. Mai ist Europawahl und im Juli wird das neue Parlament den EU-Kommissionspräsidenten und die EU-Kommissare und -Komissarinnen neu wählen. Um ein faires Abkommen zu erreichen, führt eine Beschränkung auf wenige Punkte in den nächsten Monaten eher zum Ziel.

Arbeitnehmerrechte dürfen nicht ausgehöhlt werden

Dabei kann es insbesondere bei der Sicherstellung der Arbeitnehmerrechte gemäß den ILO-Kernarbeitsnormen und bei einem Ausklammern eines außergerichtlichen Investorenschutzes keine Kompromisse geben. Dass auf EU-Seite die Gespräche im Bereich Investitionsschutz vorläufig ausgesetzt sind, um bis zum Sommer eine Konsultation durchzuführen, macht deutlich, dass für sogenannte Investor-Staat-Schiedsgerichte keine Perspektive auszumachen ist. Das Beispiel des Handelsabkommens USA-Australien ohne solche Regelungen sollte ein leitendes Beispiel sein.

Die EU-Abgeordneten haben ihre "roten Linien" für ein Zustandekommen des Abkommens deutlich gemacht: Das TTIP ist kein Trojanisches Pferd zur Aushöhlung der Arbeitnehmerrechte und des Umwelt- und Verbraucherschutzes. Sonst hat das – zur Stärkung eines nachhaltigen Wachstums gedachte – Abkommen keine Chance.

Impuls für weitere Handelsverhandlungen

Ein faires Abkommen kann hingegen die ökonomische Entwicklung in der EU unterstützen und zudem ein Impuls für weitere faire Handelsverhandlungen auf globaler Ebene sein. Michael Froman und Karel De Gucht haben eine große Verantwortung, nämlich  mit einer Neujustierung der Strategie das Schiff vom Eisberg weg zu steuern. Diesen Prozess werden wir genau beobachten. Denn: Einem ausgehandelten Abkommen muss das EU-Parlament zustimmen. Sonst tritt es nicht in Kraft.

Bernd Lange ist SPD-Europaabgeordneter aus Niedersachsen und handelspolitischer Sprecher der Europäischen Sozialdemokraten.De

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Bernd Lange

ist Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel und TTIP-Berichterstatter des Europäischen Parlaments.

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