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Sanktionen gegen Russland: „Die EU hat Handlungsstärke gezeigt.“

Die Europäische Union reagiert mit weitreichenden Sanktionen auf den Angriff Russlands auf die Ukraine. Wie sie wirken und was noch kommen könnte, sagt der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im Europaparlament Jens Geier.
von Kai Doering · 25. Februar 2022
Sanktionen gegen Putins Russland: Das ist das umfassendste Sanktionspaket, das die EU jemals beschlossen hat, sagt der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier.
Sanktionen gegen Putins Russland: Das ist das umfassendste Sanktionspaket, das die EU jemals beschlossen hat, sagt der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier.

In der Nacht haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf umfangreiche Sanktionen geben Russland verständigt. Wie bewerten Sie das Paket?

Das ist das umfassendste Sanktionspaket, das die EU jemals beschlossen hat. Der Umfang ist nicht zu unterschätzen, da die Regierungschefs die beschlossenen Maßnahmen ja in ihren jeweiligen Ländern auch umsetzen müssen. Vor diesem Hintergrund wird der gemeinsame Beschluss von 27 Staaten mit recht unterschiedlich gelagerten Interessen der historischen Situation vollkommen gerecht. Angegriffen wird vor allem der Bankensektor, der für die russische Wirtschaft lebenswichtig ist. Das dürfte schnell Wirkung zeigen. Hinzu kommen Einschränkungen für wichtige Technik und bei der Visapolitik. Froh bin ich, dass es gelungen ist, den größten gemeinsamen Nenner zu finden. Die Europäische Union hat damit Handlungsstärke gezeigt.

Kritisiert wird, dass sich die Runde nicht auf den Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-Zahlungssystem einigen konnte. Halten Sie es für richtig, sich diesen Schritt noch aufzuheben?

Ich teile die Auffassung von Olaf Scholz, nicht sofort alle Optionen auf den Tisch zu legen. Nach dem Beschluss von gestern Abend sehen wir ja, dass bereits im Vorfeld ein umfangreiches Sanktionspaket abgestimmt worden ist. Das war die Voraussetzung dafür, unverzüglich reagieren zu können. Ich bin auch sehr froh, dass das abgestimmt mit unseren Partnern in den USA geschieht. Wichtig finde ich auch, dass sich die Regierungschefs darauf geeinigt haben, persönliches Vermögen von Wladimir Putin und Sergej Lawrow einzufrieren. Die Möglichkeit, ggf. ein weiteres Sanktionspaket schnüren zu können, halte ich für sehr sinnvoll. Bis dahin kann man die Folgen eines möglichen Ausschlusses Russlands aus dem Zahlungssystem SWIFT genauer analysieren.

Russland erzielt einen Großteil seiner Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas. Könnte hier ein Boykott der EU infrage kommen?

Dieser Schritt würde Russland sicher empfindlich treffen, aber nur dann, wenn es ein langfristiges Handelsembargo geben würde. Kurzfristig würde das Russland aber kaum schwächen. Ich wüsste aber auch nicht, wie wir die Importe schnell ersetzen könnte. Die Konjunktur nimmt nach der Corona-Delle wieder Fahrt auf, die Energienachfrage steigt und daher sind die Speicher ziemlich leer. Entscheidender finde ich aber auch die Frage, was Russland langfristig wehtut. Da reden wir dann etwa darüber, wie wir Russland von dringend benötigter Technologie abschneiden können. Genau das passiert ja jetzt.

Inzwischen sind bereits mehr als 100.000 Menschen aus der Ukraine auf der Flucht. Ist die EU darauf vorbereitet?

Ja, die EU ist sehr gut aufgestellt und es gibt bereits Pläne, wie sie mit Geflüchteten umgehen wird. Mit Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien grenzen ja vier EU-Länder unmittelbar an die Ukraine. Hinzu kommt Moldawien. Deutschland hat ihnen bereits Hilfe angeboten. Wir müssen alles dafür tun, dass Putins Krieg nicht auch noch zu einer humanitären Katastrophe wird.

Wie wird dieser Krieg in Europa die gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik der EU verändern?

Der Angriff Russland hat erneut gezeigt, dass die EU wirkungsvoller wäre, wenn sie schneller sein könnte. Wenn wir in der Außen- und Sicherheitspolitik weiterhin Einstimmigkeit benötigen, werden wir das nicht schaffen. Deshalb müssen wir hier dringend eine Reform anstoßen. Was die Sicherheitspolitik angeht, gibt es bereits viele Vorschläge. Hier ist es natürlich wichtig, dass alles eng abgestimmt mit der Nato abläuft, die ja ebenfalls Reformbedarf hat. Die Vorstellungen innerhalb der EU gehen da auch teilweise noch recht weit auseinander. In der Beziehung zu Russland sehe ich kaum noch eine Grundlage für eine auf Vertrauen basierenden Zusammenarbeit.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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