Sandro Gozi und Michael Roth: Europa durch Vertrauen stärker machen
Wenn sich Hessen und Italiener in diesen Tagen begegnen, geht es häufig um Fußball. Nicht so beim Mittagsgespräch des Instituts für Europäische Politik (IEP) und der Europa-Union mit Sandro Gozi und Michael Roth. Einst waren sie Kollegen, beide in ihren Ländern als Staatsminister im Außenministerium zuständig für Europapolitik. Seit Mitte 2018 amtiert in Italien eine rechtsgerichtete Regierung. Seither haben sich die deutsch-italienischen Beziehungen deutlich verschlechtert, sagt Sandro Gozi, Präsident der Union der Europäischen Föderalisten (UEF).
Zivilgesellschaft entscheidend
Das größte Problem der EU sei die Vertrauenskrise. „Wenn wir nicht für Euro kämpfen, gefährden wir auch unsere nationalen Demokratien“, sagt Gozi und bezeichnet den anstehenden Urnengang im Mai als wichtigste europäische Wahlen. Denn es könne keine nationale Antwort auf globale Probleme geben. Transnationale Herausforderungen wie die Migrationspolitik oder soziale Probleme könne man nur gemeinsam auf europäischer Ebene lösen. Gozi sprach in diesem Kontext zudem von entscheidenden Impulsen, die aus der Zivilgesellschaft kommen können: „Die Rolle der Zivilgesellschaft ist im europäischen Kontext wichtiger denn je.“
Diese Ansicht vertritt auch Michael Roth, hessischer Bundestagsabgeordneter und Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt: „Wir brauchen zivilgesellschaftliches Engagement, um all die Zweifler zu überzeugen. Denn Europa ist die beste Lebensversicherung in Krisenzeiten.“ Entsprechend mache das zivilgesellschaftliche Engagement Mut und fülle Europa mit Leben, insbesondere in Ländern mit nationalistisch ausgerichteten Regierungen wie Polen oder Ungarn. Deswegen dürfe man nie ein Land mit einer Regierung gleichsetzen. „Polen ist mehr als Kaczyński und Ungarn mehr als Orbán.“
Europa stärker machen
Die kommende Wahl sei eine „Weggabelung, um Europa zu stärken“. Deswegen müsse man weg von einer angstgetriebenen Debatte: „Wir gewinnen ganz viel dazu, wenn wir Europa stärker machen.“ Im Gegensatz dazu seien nationale Alleingänge nicht nur rückschrittlich, sondern auch realitätsfern: „Wir bilden uns ein, Probleme nationalstaatlich lösen zu können, die wir längst nicht mehr nationalstaatlich lösen können.“
Roth wirbt für mehr Kompromissbereitschaft und einen größeren Zusammenhalt innerhalb der EU, auch auf Regierungsebene: „Wir brauchen eine neue Vertrauenskultur und einen Lernprozess nationaler Regierungen. Es gibt wenige Debatten, die rein national diskutiert werden.“ Probleme gemeinsam zu lösen sei eine große Chance von Europa. Das gelte für wirtschaftliche Probleme ebenso wie für die Migrationspolitik. „Da hätten wir Italien viel früher unterstützen müssen“, sagt Roth.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo