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Reisen in die Türkei: Was türkischstämmige SPD-Abgeordnete raten

Nachdem eine Linken-Abgeordnete dort festgenommen wurde, rät der Deutsche Journalistenverband grundsätzlich von Reisen in die Türkei ab. Wie gehen SPD-Parlamentarier*innen mit der Situation um?
von Jonas Jordan · 16. August 2023
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur rät, nicht auf Türkei-Reisen zu verzichten.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur rät, nicht auf Türkei-Reisen zu verzichten.

Anfang August wurde die Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut von der Linkspartei am Flughafen Antalya in der Türkei festgenommen. Gegen sie lag ein Haftbefehl vor. Der in der Türkei geborenen deutschen Politikerin wurde „Terrorpropaganda“ vorgeworfen. Grund dafür waren mutmaßlich Social-Media-Posts der Abgeordneten sowie die Unterstützung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die auch in Deutschland als Terrororganisation eingestuft wird.

DJV rät Medienschaffenden von Reisen ab

Das Auswärtige Amt habe sich anschließend eingeschaltet und ihre Freilassung bewirkt. Dennoch nimmt der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) den Vorfall zum Anlass und rät Medienschaffenden, generell von privaten wie beruflichen Reisen in die Türkei ab. Wenn selbst die parlamentarische Immunität einer Abgeordneten nicht vor der Festnahme schütze, sei die Gefahr für Journalist*innen umso größer, machte der DJV-Vorsitzende Frank Überall deutlich.

Doch wie gehen türkischstämmige SPD-Bundestagsabgeordnete mit der Situation nach der Festnahme ihrer Bundestagskollegin von der Linken um? Die SPD-Politikerin Derya Türk-Nachbaur weilt zurzeit in der Türkei im Urlaub. Auf Nachfrage des „vorwärts“ sagt sie: „Ich verurteile die Festnahme der Kollegin scharf. Kurz vor meinem Urlaub habe ich kritische Sätze über die türkische Regierung bei einer großen türkischen Nachrichtenplattform gesagt und bin trotzdem hierhergereist.“

Türk-Nachbaur: „Es ist keine Strafe für Erdogan, wenn wir fernbleiben“

Nach ihrer Wahlbeobachtungsmission im Kontext der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Mai habe sie ihr Reiseverhalten geändert, weil sie erlebt habe, wie viele Menschen demokratisch und antiautoritär eingestellt seien. „Es ist keine Strafe für Erdogan, wenn wir fernbleiben. Vielmehr würden wir auch einen großen Teil der Bevölkerung bestrafen – jene fast 50 Prozent, die diese autoritäre Regierung ablehnen und auf Unterstützung von Demokratinnen und Demokraten aus Europa, insbesondere aus Deutschland, hoffen“, macht Türk-Nachbaur deutlich.

Deswegen rät sie Reisenden, bewusst Kontakt zur aktiven demokratischen Zivilgesellschaft in der Türkei zu suchen. Sie selbst habe beispielsweise ein Oppositionsbüro besucht und den Menschen vor Ort Mut beim Kampf für die Demokratisierung der Türkei zugesprochen.

Karaahmetoǧlu: PKK-Unterstützer*innen sollten nicht in die Türkei reisen

Türk-Nachbaurs Fraktionskollege Macit Karaahmetoǧlu hat selbst keinerlei Bedenken, in die Türkei zu reisen. „Vor den Wahlen im Mai in der Türkei habe ich deutliche Kritik an Präsident Recep Tayyip Erdoğan öffentlich und wiederholt geübt. In der Zeit war ich regelmäßig in der Türkei – ohne dass ich Probleme bei der Ein- und Ausreise bekommen habe“, sagt der SPD-Politiker.

Dennoch könne er die Reisewarnung des DJV verstehen: „Das Problem unter Erdoğan ist die fehlende Rechtstaatlichkeit. In der Türkei herrscht Willkür. Die kann jeden treffen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist. Wenn man aus irgendwelchen Gründen in die Fänge der türkischen Justiz gerät, kann man sich nur noch schwer wehren.“

Anders verhalte es sich aus seiner Sicht mit bekennenden Anhänger*innen von Fethullah Gülen und Personen, die der PKK nahestehen. „Dass der türkische Staat auf die Terrororganisation PKK ein waches Auge hat, verstehe ich. Genau solche Leute müssen mit Verhaftungen rechnen“, sagt Karaahmetoǧlu, der deswegen Personen, die die PKK unterstützen, von Reisen in die Türkei abrät.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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