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Regionalwahlen in Italien: Salvinis doppelte Niederlage

Matteo Salvini hat einen Dämpfer erhalten und die Linke ist wieder zurück im Spiel. Auf diese kurze Formel lässt sich das Ergebnis der Regionalwahlen am vergangenen Sonntag im süditalienischen Kalabrien und in der norditalienischen Emilia Romagna bringen.
von Michael Braun · 27. Januar 2020
Klarer Sieger in der Emilia Romagna: PD-Politiker Stefano Bonaccini
Klarer Sieger in der Emilia Romagna: PD-Politiker Stefano Bonaccini

Eigentlich ging die doppelte Partie unentschieden aus. In Kalabrien setzte sich die Rechtsallianz, in der die Lega mittlerweile dominiert, klar durch. Ihre Kandidatin Jole Santelli kam auf 55 Prozent und deklassierte ihren Gegner vom Mitte-Links-Lager (30 Prozent) eindeutig. Doch in der Emilia Romagna lief es genau andersherum. Dort, in der traditionellen linken Hochburg und Vorzeigeregion, siegte Stefano Bonaccini von der Partito Democratico (PD) an der Spitze einer Mitte-Links-Allianz mit 51,4 Prozent, während seine Gegenkandidatin entgegen allen Prognosen eines Kopf-an-Kopf-Rennens bei 43,6 Prozent hängen blieb.

Bittere Niederlage für Matteo Salvini

Für Salvini war dieses Unentschieden allerdings substantiell eine bittere Niederlage. Er hatte das Votum in der nördlichen Region gleichsam zur Schicksalswahl erklärt. Zu „befreien“ – von den „Roten“ natürlich – gelte es die Emilia Romagna, verkündete er ein ums andere Mal, in einem Wahlkampf, den er zur Chefsache gemacht hatte. Die eigentliche Spitzenkandidatin seiner Partei, seines Lagers spielte kaum eine Rolle, während Salvini Tag für Tag durch die Region tourte und an die 200 Auftritte absolvierte, mit der immer gleichen Botschaft: seiner Botschaft des Nationalismus („Italiener zuerst!“), der Ausländerfeindlichkeit, der Gegnerschaft gegen Brüssel, Paris und Berlin. Seiner Botschaft schließlich, dass er im Falle eines Sieges die nationale Regierungskoalition unter Giuseppe Conte aus Fünf Sternen und PD als endgültig delegitimiert betrachte und sofortige Neuwahlen verlange.

Wenigstens in der Wahrnehmung, da stehe eine Schicksalswahl an, war die Linke, war die PD durchaus einig mit ihm. Doch während Salvini allein die nationale Karte ausreizte, setzte PD- als Spitzenkandidat auf die regionale Karte. Schließlich lebt es sich gut in der prosperierenden Region, die mit Ducati und Lamborghini, mit Parmesan und Parma-Schinken zu den Exportchampions Italiens gehört, deren Arbeitslosigkeit bei fünf Prozent liegt, die ihren Bürgern hervorragende öffentliche Dienstleistungen bietet.

Entscheidener Schub der „Sardinen“

Doch die Wende nach rechts lag durchaus in der Luft. Bei der Europawahl im Mai 2019 war die Lega mit 34 Prozent zur regional stärksten Partei aufgestiegen, hatte das rechte Lager deutlich vor dem Mitte-Links-Bündnis gelegen. Es waren die „Sardinen“, die am Ende der Linken den entscheidenden Schub verliehen, um die drohende Niederlage abzuwenden, jene von vier 30-Jährigen in Bologna auf die Beine gestellte Spontan-Bewegung, die zum ersten Mal am 14. November 2019 in Bologna auf die Piazza ging, gegen Salvinis Brachialpopulismus, gegen seine „Sprache des Hasses“, gegen seinen Rassismus. Und gleich  beim ersten Flash-mob fanden sich völlig überraschend 12.000 Menschen ein, zeigten sich selbst und der Welt vor allem, dass die Linke noch lebt, dass der Kampf noch nicht verloren war.

Am Ende fand die Mobilisierung ihren Niederschlag im rasanten Hochschnellen der Wahlbeteiligung von 38 Prozent bei den letzten Regionalwahlen auf jetzt 68 Prozent – und in den linken Bastionen war sie am stärksten gestiegen. Darüber wurde die PD mit knapp 35 Prozent wieder zur stärksten Partei der Region, nachdem sie bei der Europawahl hinter der Lega auf Platz zwei gelandet war.

Die 5-Sterne-Bewegung stürzt ab

Dies stärkt vorneweg den PD-Chef Nicola Zingaretti, der jetzt daran gehen kann, die Partei neu zu positionieren, mit klaren linken Ansagen, wie er es anstrebt. Und es stärkt auch die Regierung Conte: Aus Salvinis Neuwahlbegehren ist vorerst die Luft raus. Dennoch bleibt die Koalition weiter instabil, denn während die PD sich behaupten konnte, musste ihr Partner von den Fünf Sternen eine verheerende Niederlage hinnehmen. Das Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung), das bei der nationalen Wahl im März 2018 mit 32,7 triumphiert hatte und seitdem in Rom regiert, erst mit Salvinis Lega, seit September letzten Jahres mit der PD, stürzte jetzt auf sieben Prozent in Kalabrien und auf nur noch 3,5 Prozent in der Emilia Romagna ab.

Im März will das M5S auf einem Kongress die Schlüsse hieraus ziehen. Zwei Lager stehen einander gegenüber: die Befürworter einer engeren Allianz mit der PD und diejenigen, die zwischen den beiden politischen Blöcken von rechts und links als „dritter Pol“ neutral bleiben wollen. Der Ausgang dieser Auseinandersetzung wird auch darüber entscheiden, ob die Regierungskoalition zum wirklichen Gegenpol gegen die italienische Rechte werden kann.

Autor*in
Michael Braun

ist promovierter Politikwissenschaftler und Mitarbeiter der FES Rom.

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