Die ukrainische Regierung ist zurückgetreten. Wie geht es jetzt weiter für das vom Bürgerkrieg zerrüttete Land? Notwendig sind Neuwahlen, doch der Zeitpunkt dafür ist denkbar schlecht.
Der Rücktritt des ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk und seiner Regierung macht die Lage in der Ukraine nicht einfacher. Zumal die Kämpfe im Osten des Landes weiter gehen und eine politische Lösung des Konfliktes nicht absehbar ist. Die von Präsident Petro Poroschenko angestrebten Neuwahlen voraussichtlich am 26. Oktober sind ein Grund für den Rücktritt der Regierung. Ein anderer ist das Scheitern wichtiger Wirtschaftsgesetze im Parlament, nach denen sich ausländische Unternehmen sowie Investoren am veralteten und renovierungsbedürftigen Gastransportsystem des Landes hätten beteiligen können. Schließlich hat es in den vergangenen Wochen starke Auflösungserscheinungen in der Regierungskoalition gegeben. Die nationalistische Svoboda- und Vitali Klitschkos Udar-Partei hatten angekündigt, das Regierungsbündnis verlassen zu wollen.
Das Land ist im Krieg und wirtschaftlich am Abgrund. Eine Verhandlungslösung mit der Regierung in Moskau ist nicht in Sicht. Der mutmaßliche Abschuss der malaysischen Boeing über dem Gebiet von Donezk ist bisher nicht aufgeklärt. Die sich selbst so bezeichnenden und von Russland unterstützten Separatisten sind verhandlungsunwillig und die unzureichend ausgerüsteten ukrainischen Streitkräfte können sie ganz offensichtlich nicht besiegen. Hinzu kommt, dass die bisher von der Europäischen Union verhängten Sanktionen gegen Russland dessen Regierung in Moskau kaum beeindruckt. Bisher wurden gegen 87 Personen und 18 Einrichtungen Einreiseverbote und Kontosperrungen verhängt.
Blühende Geschäfte trotz Sanktionen
Tatsächlich aber sind die internationalen Geldgeschäfte, die hauptsächlich über London abgewickelt werden, davon nicht betroffen. Ebenso wenig wie die Waffengeschäfte zwischen Großbritannien und Russland. Auch werden die Russen die beiden in Frankreich für sie gebauten Hubschrauberträger vom Typ Mistral erhalten, die pro Stück 1,2 Milliarden Euro kosten und von denen einer den Namen „Sewastopol“ tragen wird. Auch die engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Italien und Russland sind von den bisherigen Sanktionen unberührt ebenso wie die russischen Energielieferungen nach Westeuropa. Das exportiert jährlich vor allem Maschinen und Computer im Wert von etwa drei Milliarden Euro nach Russland. Hinzu kommen die direkten Investitionen sowie der Rüstungsexport dorthin, der bisher bei cirka 300 Millionen Euro pro Jahr lag.
Beim letzten Treffen der Außenminister in Brüssel haben einigen europäische Chefdiplomaten angeregt, härtere Sanktionen gegen Russland zu beschließen. Sie sollen vor allem den Finanzsektor, die Rüstungsexporte sowie den Bereich der Hochtechnologien betreffen. Vor allem die britische, die französische und die italienische Regierung sprachen sich angesichts ihrer sehr speziellen Interessenslage dagegen aus.
Deutsche Regierung will Mittler sein
Deutschland nimmt seit dem Beginn des Konfliktes in der Ukraine und mit Russland eine Mittlerfunktion ein. Die Bundesregierung ist nicht gegen Sanktionen, will aber die „Gesprächskanäle offen halten“, wie es in Berlin heißt. Das ist angesichts des russischen Verhaltens erstens nicht einfach und zweitens auch deshalb nicht, weil aus Brüsseler Sicht alle Gespräche mit der Regierung in Moskau zu keinen sichtbaren Ergebnissen geführt haben. Moskau hat weder seine Unterstützung für die im Osten der Ukraine gegen die Armee kämpfenden Gruppen aufgegeben, noch sie veranlasst, auf eine Feuerpause oder einen Waffenstillstand einzugehen.
Knapp fünf Monate nach der russischen Annexion der Krim verwüstet der Krieg die östlichen Teile des Landes weiter. Wie vor diesem Hintergrund noch in diesem Jahr Parlamentswahlen stattfinden sollen, ist rätselhaft.
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).