Referendum über Kataloniens Unabhägigkeit: Warum sich die Lage zuspitzt
Für den 1. Oktober hat die katalanische Regionalregierung einseitig ein Referendum über die Unabhängigkeit der Region von Spanien angesetzt. Das Verfassungsgericht hat dies untersagt und die Zentralregierung will dies mit allen Mitteln verhindern. Es gab erste Festnahmen von Organisatoren, Wahlmaterial wurde beschlagnahmt und die katalanische Polizei wurde der Madrider Weisungsbefugnis unterstellt.
Das Feuer des Separatismus breitet sich aus
Seit den letzten Regionalwahlen und einem ersten Referendumsversuch im November 2014 gibt es eine Allianz der von links bis rechts reichenden separatistischen Kräfte, die zunehmend radikalisiert, von nichts anderem zusammengehalten wird, als dem Wunsch nach mehr Unabhängigkeit.
Mit einem Gemisch aus (verständlicher) Enttäuschung über Madrid und hauseigenem Dauerdruck und Wettbewerb (wer steht treu zum Unabhängigkeitsbegehren) hat sich das Feuer des Separatismus Monat für Monat und Jahr für Jahr weiter ausgebreitet. „Die Geister, die ich rief“ – auch den moderaten Kräften der Regierungskoalition entglitten dabei Stück für Stück die Zügel. Dies gilt auch für das Referendumsgesetz des katalanischen Regionalparlaments von Anfang September. Ohne Mindestbeteiligung soll schon bei einfacher Mehrheit für die Unabhängigkeit der Loslösungsprozess ins Werk gesetzt werden.
Kaum Gelegenheiten für Gegenpositionen
Die Art und Weise in dem die separatistischen Koalitionspartner die Gesetzesvorlage durch das Parlament gepeitscht haben, spottet jeglicher demokratischer Gepflogenheiten und die Rechte auf der Oppositionsparteien (und damit der katalanischen Gegner eines Unabhängigkeitsreferendums) blieben auf der Strecke.
Der Druck auf die Zivilbevölkerung, Beamten und der politischen Opposition hat sich seitdem weiter erhöht. Besonders sozialistische Bürgermeister werden gezwungen für das illegale Referendum Wahllokale zur Verfügung zu stellen. Die öffentlich Rechtlichen Medien haben sich in den letzten Jahren zu einem Propaganda Instrument der Unabhängigkeitsbewegung entwickelt und Oppositionelle haben kaum Gelegenheit ihre Gegenposition zu artikulieren.
Obwohl das Separatisten Bündnis JxSi und die CUP zusammen nur 48 Prozent der Stimmen auf sich vereint, haben sie aufgrund des Wahlsystems eine Mehrheit der Sitze. Profitiert hat die Regierungskoalition lange Zeit auch von der Uneinigkeit und Unklarheit der Oppositionsparteien, die zwar auch für mehr (finanzielle) Autonomie eintreten, indes im spanischen Verbund bleiben möchten. Allen voran hat Podemos hier eine unklare, wankelmütige Rolle gespielt: Sie haben zum einen die leere Worthülse des „Rechts zum Entscheiden“ verteidigt (es bleibt offen wer entscheiden darf, worüber und wie oft) aber zum andern die Unabhängigkeit Kataloniens abgelehnt.
Gibt es noch Wege der Deeskalation?
Erst Mitte September zeigte sich bei der konservativen Minderheitsregierung Bewegung. Sie ist jetzt auf die sozialdemokratische PSOE zugegangen und hat mit ihr eine Kommission vorgeschlagen, in der alle politischen Kräfte aus Madrid und Katalonien zusammen kommen sollen, um eine Lösung für den zukünftigen Status der der Region zu finden. Die PSOE hatte unter ihren alten und neuen Generalsekretär Pedro Sanchez vorgeschagen, dass zudem die Verfassung ergänzt werde solle. Dabei würde Spanien dann als „Nation von Nationen“ firmieren. Zudem möchten die PSOE-Führung neue föderale Strukturen ins Leben rufen, die den föderalen Flickenteppich des Landes neu strukturiert und auch für einen durchschaubareren Finanzausgleich zwischen den einzelnen Regionen sorgt.
Das Gesprächsangebot gilt indes erst ab dem 2. Oktober – an der Ablehnung des einseitig angekündigten Referendums hat sich damit nichts verändert. Unklar ist, ob der katalanische Regionalpräsident darauf eingehen wird. Der radikale Separatistenflügel der Regierungsparteien mobilisiert die Straße – ein Entgegenkommen von Carles Puigdemont dürfte zumindest die CUP mit dem Entzug der parlamentarischen Unterstützung quittieren. Ein Einlenken bleibt also mit dem Risiko eines Prestige- oder sogar Machtverlust behaftet. Alles spricht damit dafür, dass sich beide Seite weiter bis zum 1. Oktober auf Koalitionskurs befinden.
Spanien wird eine Abspaltung nicht akzeptieren
Ebenso klar ist, dass die spanische Seite ein Ja zur Loslösung nicht akzeptieren wird. Mit dem Verfassungegerichtsbeschluss im Rücken ist von der Annulierung des Referendums, über weitere Verhaftungen bis zur Absetzung der Regionalregierung, der Auflösung des Parlaments und der Anberaumung von Neuwahlen alles denkbar. Zu hoffen ist, dass es danach über eine Mischung aus Gesprächsangebot und Amnestie endlich zu einer gemeinsamen Lösungssucheb kommt.
Was indes bleibt: Die katalanische Gesellschaft ist tief gespalten, wie auch immer es in den nächsten Tagen weitergeht, der gesellschaftliche Schaden, den die Polarisierung der Debatte ausgelöst hat wird auf Jahre hinaus das Land, die Gesellschaft, die Familien und Freunde spalten.
Schließlich wird der bestehende Konflikt natürlich auch das zukünftige Verhältnis Kataloniens zu den anderen Autonomen Gemeinschaften prägen. Weiterhin wird auch jedes Zugeständnis der Zentralregierung für Katalonien Begehrlichkeiten in den anderen Autonomen Gemeinschaften wecken.