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Räumen – Reisen – Reden

von Jörg Hafkemeyer · 18. Februar 2013

Die ukrainischen Oppositionsführer Klitschko und Jazenjuk haben sich am Montag in Berlin mit Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier getroffen. Zurück reisten sie ohne die erhofften Ergebnisse.

Die politische Situation in der Ukraine ist sehr kompliziert und sehr unübersichtlich. Präsident Viktor Janukowitsch und seine Regierung haben etwa 260 Demonstranten aus der Haft entlassen und ungefähr 100 Strafverfahren eingestellt. Die Opposition hat das Rathaus von Kiew und einige Gebäude in Lemberg geräumt. Es wird nicht gekämpft. Es wird geredet. Vor allem in Kiew und in Berlin. Und es wird viel gereist.

Bemerkenswert unaufgeregt, so kennzeichnet ein politischer Gesprächspartner, der namentlich nicht genannt werden will, die Lage in dem Land zwischen Russland und der Europäischen Union. Ist es in diesen Tagen eine gefährliche Stille zwischen Opposition und staatlicher Macht, in der sich wenig bis nichts zu bewegen scheint? Oder ist es der Beginn einer Art Beruhigung, wie sie die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments (Werkhowna Rada), Valeriya Litkovska, während ihres Besuchs in Berlin fordert? Es wird viel gesprochen in Berlin. Dmitrij Bulatow, der Begründer des Automaidan, der zeitweise entführt war und misshandelt wurde, sagt: „Wir ergeben uns nicht.“ Das klingt nicht nach Beruhigung.

Klitschko fordert klares Zeichen der Bundesregierung

Vitali Klitschko fordert: „Wir wünschen uns ein klares Zeichen bei den Sanktionen.“ Dieses Zeichen will die deutsche Regierung derzeit nicht geben. „Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt dafür“, meint Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Er will nicht Partei ergreifen. Er will Ansprechpartner für alle Seiten sein und so helfen, den Konflikt zu lösen.

Das will auch Bundespräsident Joachim Gauck. Der wird vom ehemaligen polnischen Staatspräsidenten Alexander Kwasniewski aufgesucht. Kwasniewski versucht im Auftrag der EU in Kiew zu vermitteln. Bisher ohne greifbaren Erfolg.

Für die Oppositionsführer Arsenij Jazenjuk und Vitali Klitschko ist die Lage nicht sehr hoffnungsvoll. Ergebnisse bringen sie nach ihren Gesprächen mit der Kanzlerin und dem Außenminister nicht mit nach Kiew. Die Demonstranten halten den Maidan, das Gewerkschaftshaus und das Ukrainische Haus in Kiew weiter besetzt. Auch nach der Amnestie, die von der Menschenrechtlerin Lutkowska begrüßt wird: „Die Staatsorgane verfolgen nicht mehr die Protestierenden.“ Auch nicht die Sondereinheit Berkut. Das könnte ein hoffnungsvoller Hinweis sein. Allerdings nur ein kleiner.

Ukraine faktisch zahlungsunfähig

Die Ukraine steht vor dem Zusammenbruch. Da helfen auch die jetzt von Moskau spät und mit Verzögerung bewilligten zwei Milliarden nichts und ein europäischer Unterstützungsplan alleine ebenfalls nicht. Das Land ist faktisch zahlungsunfähig. Die Landeswährung verfällt rapide. Der russische Präsident macht Druck über seinen Konzern Gazprom und droht versteckt einen Handelskrieg an für den Fall, dass Kiew sich doch politisch in Richtung EU bewegt.

Dann sind da noch die weiterhin bestehenden Hauptforderungen der Opposition, Präsident Janukowitsch solle zurücktreten und es müsse Neuwahlen geben. Beides lehnt Janukowitsch ab. Frank-Walter Steinmeier machte in diesen Tagen klar: „Die Menschen in der Ukraine werden sich mit faulen Kompromissen nicht zufrieden geben.“ Sein schwedischer Kollege Carl Bildt sagt: „Wir suchen eine politische, demokratische und europäische Lösung.“ Lubomir Zaoralek, der neue tschechische Chefdiplomat, mahnt: „Wir können nicht akzeptieren, dass es in unserer Nachbarschaft zu so drastischen Verletzungen des Rechts kommt.“

Vielleicht kommt es zu einer Vermittlerrolle durch die OSZE. Die Schweiz hat derzeit den Vorsitz und ist in Kiew durch ihren Botschafter bereits aktiv. Sie will vermitteln, wenn es etwas zu vermitteln geben sollte: „Wir brauchen friedliche Auseinandersetzungen,“ fordert Valeriya Lutkovska im Gespräch. Sie war vier Jahre stellvertretende Justizministerin ihres Landes und betont: „Die Krise muss durch das Parlament und durch Wahlen gelöst werden. Nicht durch Molotowcocktails und Schlagstöcke.“

Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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