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Putin schafft Fakten

von Jörg Hafkemeyer · 3. März 2014

Die Krim könnte der Ukraine verloren gehen. Das ukrainische Militär ist zu schwach, um den Einmarsch russischer Truppen stoppen zu können. Und in Simferopol wird ein Referendum vorbereitet, das die Halbinsel wieder Russland zuführen soll.

Es gibt einige Entwicklungen und Sachverhalte, die darauf hinweisen, dass die Halbinsel Krim der Ukraine verloren gehen wird. Die Ukraine ist militärisch nicht stark genug, sich gegen Russland zu wehren. Ihre Wirtschaft ist ruiniert. Die Landeswährung Griwna hat massiv an Wert verloren. Die Staatskassen sind leer, während in den zurückliegenden drei Jahren nach Angaben der Übergangsregierung mindestens 70 Milliarden Dollar auf Off-Shore-Konten illegal abgezweigt worden sind. Die Regierung in Kiew wird von der in Moskau nicht anerkannt und die autonome Krim hat einen neuen Präsidenten. Der hat seinen Vorgänger gestürzt, will die Krim zurück nach Russland führen und verlacht die Regierung in Kiew.

Wer mit dem Schiff in den Hafen von Sewastopol hinein fährt und unterhalb des Nachimow-Platzes anlegt, sieht auf der linken Seite des großen Hafens die Einheiten der ukrainischen Schwarzmeerflotte und auf der rechten Seite die der russischen Marine liegen. Die ukrainische Marine verfügt über 17.500 Soldaten. 3000 von ihnen sind Marineinfanteristen. Ihre Schiffe im geschichtsträchtigen Sewastopoler Hafen sind leicht zu erkennen: Sie tragen ein U und eine dreistellige Zahl und natürlich die Flagge ihres Landes. Richtig modern ist an dieser kleinen Flotte mit ihren 40 Einheiten, die über acht Stützpunkte an der ukrainischen Schwarzmeerküste verteilt sind, wenig. Insgesamt ist die Armee des Landes, schlecht ausgerüstet, schlecht finanziert und schlecht ausgebildet. Die Ukraine hat den kleinsten Verteidigungsetat in Europa.

Russland militärisch klar überlegen

Das ist in Russland ganz anders, das jährlich 70 Milliarden Dollar in sein Militär steckt und das, um auf der Krim zu bleiben, dort ständig 16.000 Soldaten stationiert hat. Sie alle sind Angehörige der russischen Schwarzmeerflotte. Die ist sehr viel moderner und besser ausgestattet als ihr ukrainisches Gegenüber im Hafen von Sewastopol. Das Flaggschiff der Russen ist der Raketenkreuzer „Moskwa“. Die russische Schwarzmeerflotte umfasst  allein soviel Schiffe wie die gesamte Marine der Ukraine. Die wiederum hat ihr Flaggschiff, eine Fregatte, und ihre wenigen anderen modernen Einheiten in den vergangenen Tagen bereits ins weiter nordwestlich gelegene Odessa verlegt.

Ähnlich wie in Kiew, „nur ganz anders“, ist auch die Regierung in Simferopol, der Hauptstadt der Krim gestürzt worden. Über dem Parlament weht die russische Flagge. Neuer Präsident ist der Anführer der pro-russischen Partei „Russische Einheit“,  Sergej Aksjonow. Der ist ein groß gewachsener, grauhaariger Mann. Er hat zunächst einmal seinen Vorgänger im Amt, einen Getreuen von Viktor Janukowitsch, verjagt und einen Referendumstext durchgesetzt, der so schnell wie möglich zur Volksabstimmung gestellt werden soll. Das Ziel des geplanten Referendums: Die Krim schließt sich der Russischen Föderation an und verlässt die Ukraine. Für diejenigen auf der Schwarzmeer-Halbinsel, die gegen eine Loslösung der Krim aus der Ukraine sind, ist der neue Präsident ein Schock.

Aksjonow gibt sich siegessicher

Nur 13 Prozent der Bevölkerung sind Tataren und 24 Prozent Ukrainer. 60 Prozent sind Russen. Ob die alle aus der Ukraine wegwollen, ist nicht bekannt, aber die Möglichkeit besteht. Entsprechend siegessicher gibt sich Aksjonow, der auf der Krim einen sehr schlechten Ruf hat. Sein Spitzname ist Goblin und er war einer der Paten in der Unterwelt von Simferopol. Er steht den Nationalisten in Moskau nahe und dem Hausherren im Kreml.

Wladimir Putin hat in nur wenigen Tagen auf der Krim ohne Rücksicht Fakten geschaffen, gegen die die Übergangsregierung in Kiew nicht ankommt. Ebensowenig wie die tausenden Demonstranten auf dem Maidan und wahrscheinlich auch nicht die vielen Menschen im Osten des Landes, die in den zurückliegenden Tagen unter anderem in Odessa und Saporoschje, in Charkow und in Dnjepropetowsk gegen Russland demonstriert und gefordert haben, die Ukraine in Ruhe zu lassen. Nur, nach Ruhe sieht es in diesem furchtbar gebeutelten Land überhaupt nicht aus. Das zeigt  unter anderem die Äußerung des russischen Außenministers Lawrow, der den Einsatz des Militärs auf der Krim mit den Worten rechtfertigte, es gehe dabei um die „Frage der Verteidigung unserer Bürger und Landsleute und der Sicherung ihrer Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Leben“. Bislang sind von der Krim keine Übergriffe auf Russen gemeldet worden.

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Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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